Dritte Szene


[267] Küster. Pfarrer.


KÜSTER. O Herr Pfarrer um Gotteswillen, es geschieht Mord und Totschlag in der Kirche wenn Sie nicht zu Hülfe kommen. Da ist der Antichrist plötzlich hereingetreten, der ihnen allen die Köpfe umgedreht hat, daß sie sich das Leben nehmen wollen. Sie haben alle Schießgewehr bei sich, meine arme Frau, meine arme Kinder sind auch drunter, wer weiß wie leicht ein Fehlschuß sie treffen kann.

PFARRER zitternd und bebend. Meine Frau ist auch da, Gott steh mir bei. Kann Er sie nicht herausrufen.

KÜSTER. Nein Herr Pfarrer Sie müssen selber kommen, das ganze Ministerium muß kommen, es ist als ob der Teufel in sie alle gefahren wäre, ich glaube Gott verzeih mir, der Jüngste Tag ist nahe.[267]

PFARRER einmal über das andere sich trostlos umsehend. Wenn meine Frau nur kommen wollte! Konnt Er ihr nicht zurufen? Die Hände ringend. Hab ich das in meinem Leben gehört, sie wollen sich erschießen und warum denn?

KÜSTER. Um unsrer Weiber willen allerliebster Herr Pfarrer! Das ist Gott zu klagen, ich glaube es ist ein Hexenmeister der unter sie gekommen ist. Vorhin saßen sie da in aller Eintracht und hatten ihren Spaß mit den Papillons, da führt ihn der böse Feind hinein, und sagt, wenn's doch gespielt sein soll, so spielt mit Pistolen.

PFARRER. Ob sie aber auch geladen sind?

KÜSTER. Das weiß ich nun freilich nicht. Aber auch mit ungeladenen ist's doch sündlich. Man weiß wie leicht der Böse sein Spiel haben kann.

PFARRER sehr wichtig und nachdenklich. Wir wollen ein Mandat vom Consistorio auswirken.

KÜSTER. Das wär meine Meinung auch Herr Pfarrer so. Und daß sie den Prometheus verbrennen sollen, oder den höllischen Proteus wie er da heißt. Andern zur Warnung mein ich.

PFARRER. Wenn meine Frau nur kommen wollte.

KÜSTER. Sie wird sich noch in ihn verlieben und meine Frau auf den Kauf mit ein, die Weiber sind all wie bestürzt auf das Ding, sie sagen sie haben sowas in ihrem Leben noch nicht gehört. Denn sehn Sie es ist kein einzig Weib das nicht glaubt, heimlich in der Stille haben sich schon ein zehn zwölf arme Buben um sie zu Tode gegrämt, und dieser erschießt sich gar, das ist ihnen nun ein gar zu gefundenes Fressen das. In Böhmen ist neuerdings wieder ein Baurenkrieg angebrochen, gebt acht Herr Pfarrer, dieser Mensch gibt uns einen Weiberkrieg wo am Ende keine Mannsseele mehr am Leben bleibt als ich und der Herr Pfarrer. Wir wollten endlich das menschliche Geschlecht auch nicht ausgehen lassen.

PFARRER. Seid unbesorgt. Wenn ich mich nur durch die[268] Hintertür in die Kirche schleichen und dem Unwesen zusehen könnte. Ich wollte sodann ganz in der Stille die Kanzel heraufkriechen und auf einmal zu donnern anfangen. Das tut seine gewisse Wirkung, glaubt es mir.

KÜSTER. Sicher Herr Pfarrer, ich mein es auch so, und ich will den Glauben zu gleicher Zeit anstimmen, daß der Teufel aus der Kirche fährt.

PFARRER. Ihr könnt das Te Deum laudamus hernach singen, wenn ich fertig bin. Gehn ab.


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 267-269.
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