Dritter Auftritt


[430] Lelio. Die Vorigen.


VALER. Kommen Sie, Lelio, kommen Sie; helfen Sie mir meinen Vater erbitten, daß er meinem Glücke nicht länger hinderlich ist.

WUMSHÄTER. Kommen Sie, Herr Lelio, kommen Sie! Mein Sohn hat wieder seinen Anfall von Heiraten bekommen. Helfen Sie mir ihn doch zu rechte bringen.

LELIO. O! so schämen Sie sich einmal, Valer, und machen der Vernunft Platz. Sie haben es ja oft genug von Ihrem Herrn Vater gehört, daß das Heiraten eine lächerliche und unsinnige Handlung ist. Ich dächte. Sie sollten einmal überzeugt sein. Einem Manne, der es mit drei Weibern versucht hat, kann man es doch wohl endlich glauben, daß die Weiber insgesamt – insgesamt Weiber sind.

VALER. Sind Sie so auf meiner Seite? Ihre Schwester wird Ihnen sehr verbunden sein.

LELIO. Ich bin mehr auf Ihrer Seite, als Sie glauben: und meine Schwester würde selbst nicht anders reden, wenn sie zugegen wäre.

WUMSHÄTER. Ja, das sollte ich auch meinen. Denn wenn es wahr ist, daß die Frauenzimmer noch so etwas, der Vernunft Ähnliches, besitzen, so müssen sie notwendig von ihrer eignen Abscheulichkeit überzeugt sein. Sie ist so sonnenklar; und nur du kannst sie nicht sehen, weil dir die Liebe die Augen zuhält.

LELIO. O, mein Herr, Sie reden, wie die Vernunft selbst. Sie haben mich in der kurzen Zeit, die ich bei Ihnen bin, ganz bekehrt. Das Frauenzimmer war mir auch sonst nicht allzugleichgültig. Aber jetzt – – ja, ich sollte Ihr Sohn sein, mein Herr Wumshäter; ich wollte das Geschlecht der Weiberfeinde vortrefflich fortpflanzen! Meine Söhne sollten alle so werden, wie ich!

VALER. Das laß ich gelten. Solche Weiberfeinde würden doch wenigstens die Welt nicht aussterben lassen.

LELIO. Das wäre auch albern genug. So müßten ja auch die[430] Weiberfeinde mit aussterben? Nein, nein, Valer, auf die Erhaltung so vorzüglicher Menschen muß man, so viel als möglich bedacht sein. Nicht wahr?

WUMSHÄTER. Das ist schon einigermaßen wahr. Doch aber sähe ich lieber, wenn mein Sohn andere darauf bedacht sein ließe. Ich weiß gewiß, man wird seinen Beitrag nicht vermissen. Warum soll er sich, einer Ungewissen Nachkommenschaft wegen, ein unglückliches Leben machen? Und dazu ist es eine sehr schlechte Freude, Kinder zu haben, wenn man so viel Angst mit ihnen haben muß, als ich. Du siehst, mein Sohn, wie ich mir deine Umstände zu Herzen nehme. Vergilt mir doch durch deinen Gehorsam den Verdruß, den mir deine Mutter gemacht hat.

LELIO. Das muß wohl eine sehr böse Frau gewesen sein?

WUMSHÄTER. Wie sie alle sind, mein lieber Lelio. Habe ich Ihnen meinen Lebenslauf noch nicht erzahlt? Er ist erbärmlich anzuhören.

VALER. O, verschonen Sie ihn damit. Er hat ihn schon mehr als zehnmal müssen hören.

LELIO. Ich, Valer? Sie irren sich. Erzählen Sie ihn nur, Herr Wumshäter; ich bitte. Ich weiß gewiß, ich werde vieles zu meiner Lehre daraus nehmen können.

WUMSHÄTER. Das gefällt mir. O, mein Sohn, wenn du auch so gesinnt wärst! Nun so hören Sie – – Ich habe drei Weiber gehabt.

LELIO. Drei Weiber?

VALER. Wissen Sie das noch nicht?

LELIO zu Valeren. O, so schweigen Sie! – Drei Weiber! Sie müssen also einen rechten Schatz der mannigfaltigsten Erfahrung besitzen. Nur wundre ich mich, wie Sie Ihre Weiberfeindschaft gleichwohl dreimal so glücklich haben besiegen können.

WUMSHÄTER. Von selbst wird man auf einmal nicht klug. Hätte ich aber einen Vater gehabt, wie mein Sohn an mir hat; einen Vater, der mich mit seinem Beispiele von dem Rande des Verderbens hätte abhalten können – Gewiß, mein Sohn, du verdienest so einen Vater nicht!

LELIO. O, sagen Sie mir doch vor allen Dingen, welche von[431] Ihren drei bösen Weibern, – war Valerens Mutter? war es wohl noch die Beste?

WUMSHÄTER. Die Beste?

LELIO. Von den Schlimmen, meine ich.

WUMSHÄTER. Die Beste von den Schlimmen? – die Schlimmste, lieber Lelio, die Allerschlimmste!

LELIO. Ei! so hatte sie wohl gar nichts von Ihrem Sohne? O, die ausgeartete Mutter!

VALER. Warum wollen Sie mich quälen, Lelio? Ich liebe meinen Vater, allein ich habe auch meine Mutter geliebt. Mein Herz wird zerrissen, wenn er sie noch im Grabe nicht ruhen läßt.

WUMSHÄTER. Mein Sohn, wenn du es so nimmst, gut, gut! – Ich will es Ihnen hernach erzählen, Herr Lelio, wenn wir allein sind. Man kann sichs unmöglich einbilden, wie eigensinnig, wie zänkisch –

VALER. Sie wollen es ihm erzählen, wenn Sie allein sind? Ich muß also gehen.

WUMSHÄTER. Nun, nun, bleib nur da. Ich will gern nichts mehr sagen. Hätte ich es doch nicht geglaubt, daß man so gar eingenommen für eine Mutter sein könne. Mutter hin, Mutter her; sie bleibt darum doch eine Frauensperson, deren Fehler man verabscheuen muß, wenn man sich ihrer nicht mit schuldig machen will. Doch gut – – Wieder auf deine Heirat zu kommen, du versprichst mir es also, nicht zu heiraten?

VALER. Wie kann ich dieses versprechen? Gesetzt, ich könnte die Neigung unterdrücken, die mich jetzt beherrscht, so würden mich doch meine häuslichen Umstände nötigen, mir eine Gehülfin zu suchen.

WUMSHÄTER. O! wenn es nur eine Gehülfin in deinen häuslichen Geschäften sein soll, so weiß ich guten Rat. Höre, nimm deine Schwester mit dir. Sie ist geschickt genug, deinem Hause vorzustehen, und ich werde auf diese Art eine Last los, die mir längst unerträglich geworden ist.

VALER. Soll ich meiner Schwester an ihrem Glücke hinderlich sein?

WUMSHÄTER. Du bist wunderlich! An was für einem Glücke[432] kannst du ihr hinderlich sein? Man wird sich um sie nicht reißen; und du magst sie mitnehmen oder nicht, sie wird doch keine Heirat finden, die mir, oder ihr anständig wäre. Denn daß ich einen ehrlichen rechtschaffnen Mann mit ihr betriegen sollte, das geschieht nimmermehr. Ich mag keinen Menschen unglücklich machen, geschweige einen, den ich hochschätzte. Einen nichtswürdigen und schlechten Mann aber, dem ich sie noch am liebsten gönnen würde, zu nehmen, dazu ist sie selbst zu stolz.

LELIO. Aber, mein Herr Wumshäter, bedenken Sie denn nicht, daß es für mich höchst gefährlich sein würde, wenn Valer seine Schwester mit sich nehmen sollte? Die Weiberfeindschaft hat in meinem Herzen noch nicht allzutiefe Wurzeln geschlagen. Laura ist munter und schön, und was das Vornehmste ist, sie ist die Tochter eines Weiberfeinds, den ich mir in allem zur Nachahmung vorgestellt habe. Wie leicht könnte es nicht kommen, daß ich sie, – ich will nicht sagen, heiratete; denn das möchte noch der geringste Schaden sein; sondern daß ich sie gar – – der Himmel wende das Unglück ab! – – daß ich sie gar liebte. Alsdenn gute Nacht, Weiberfeindschaft! Und vielleicht käme ich, nach vielem Unglücke, in Ihrem Alter kaum, wieder zu mir selbst.

WUMSHÄTER. Behüte der Himmel, daß das daraus entstehen sollte! – – Doch trauen Sie sich mehr zu, Herr Lelio; Sie sind zu vernünftig. Wie gesagt, mein Sohn, du kannst dich darauf verlassen: deine Schwester soll mit dir; sie muß mit dir. Ich will gleich gehen, und es ihr sagen. Er geht ab.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 430-433.
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