Vierter Auftritt


[433] Lelio. Valer.


VALER. Liebste Hilaria, was soll ich noch anfangen? Sie sehen –

LELIO. Ich sehe, daß Sie zu ungeduldig sind, Valer –

VALER. Zu ungeduldig? Sind wir nicht schon acht Tage hier?[433] Warum war ich nicht leichtsinnig genug, mich um die Einwilligung meines Vaters nicht zu bekümmern? Warum mußte Hilaria für die Schwachheit seines mürrischen Alters so viel Gefälligkeit haben? Der Einfall, den Sie hatten, sich in der Verkleidung einer Mannsperson, unter dem Namen Ihres Bruders, seine Gewogenheit vorher zu erwerben, war der sinnreichste von der Welt, der uns am geschwindesten zu unserm Zwecke zu führen versprach. Und doch will er zu nichts helfen.

LELIO. Sagen Sie das nicht; denn ich glaube, unsre Sache ist auf einem sehr gutem Wege. Habe ich, als Lelio, seine Freundschaft, und sein ganzes Vertrauen nicht weg?

VALER. Und dieses ohne Wunderwerke. Sie stellen sich ihm ja in allem gleich.

LELIO. Muß ich es denn nicht tun?

VALER. Aber nicht so ernstlich. Anstatt, daß Sie ihn von seinem eigensinnigen Wahne abbringen sollten, bestätigen Sie ihn darin. Das kann unmöglich gut gehen! – Noch eins, liebste Hilaria: gegen meine Schwester treiben Sie gleichfalls die Maskerade viel zu weit.

LELIO. Es wird aber doch immer ein Schattenspiel bleiben! Und so bald sie erfährt, wer ich bin, so ist alles wieder in seinem Gleise.

VALER. Wenn sie es nicht zu spät erfährt. Ich weiß wohl, da Sie als Mannsperson hier erschienen, durften Sie sich nicht entbrechen, ihr einige Schmeicheleien zu sagen. Aber Sie hätten diese Schmeicheleien so frostig, als möglich, sagen sollen; ohne einen ernsthaft scheinenden Anschlag auf ihr Herz zu machen. Jetzt ist mein Vater ihr anzudeuten gegangen, daß sie mit uns reisen soll. Denken Sie an mich, das wird, mit dem Sprüchworte zu reden, Wasser auf ihre Mühle sein. Für uns zwar kann freilich damit nichts verdorben werden; aber für einen andern desto mehr.

LELIO. Ich weiß, was Sie sagen wollen. Leander –

VALER. Leander hat schon lange Zeit in dem besten Vernehmen mit ihr gestanden; und nur der Prozeß, in welchen er mit unserm Vater verwickelt ist, hat ihn, durch die Furcht einer schimpflich abschläglichen Antwort, abgehalten,[434] um ihre Hand zu bitten. Endlich aber hat es der dienstfertige Herr Solbist auf sich genommen, ihn wegen dieser Furcht in Sicherheit zu setzen. Er will selbst der Brautwerber sein, und die Wendung, die er seinem Ansuchen geben will, wäre die törichste von der Welt, wenn er nicht mit einem Manne zu tun hätte, dessen Torheit sich nicht anders, als mit Torheit bestreiten läßt.

LELIO. Eine artige Umschreibung Ihres Vaters!

VALER. Es geht mir nahe genug, daß ich hierin nicht anders von ihm denken kann! – Haben Sie nur die Gütigkeit, schönste Hilaria, und lenken ein wenig ein. Führen Sie sich gleichgültiger gegen meine Schwester auf, damit Leander Sie nicht als einen Nebenbuhler ansehen darf, der ihm Schaden tut, ohne selbst am Ende den über ihn erlangten Vorteil brauchen zu können. Auch meinen Vater müssen Sie mehr für diejenige Person, die Sie sind, als für die, welche Sie zu sein scheinen, einzunehmen suchen. Sie müssen anfangen, seinen Grillen zu widersprechen, und ihn durch die Macht, die Sie über ihn erlangt haben, wenigstens dahin bringen, daß er Hilarien für die einzige ihres Geschlechts hält, die von seinem Hasse ausgenommen zu werden verdient. Sie müssen –

LELIO. Sie müssen nicht immer sagen: Sie müssen – – Mein guter Valer, Sie versprechen, ein ziemlich gebietrischer Ehemann zu werden. Gönnen Sie mir doch immer die Lust, die angefangene Rolle, nach meinem Gutdünken, auszuspielen.

VALER. Wenn ich nur sähe, daß Sie an das Ausspielen dächten. So aber denken Sie nur an das Fortspielen, verwickeln den Knoten immer mehr und mehr, und endlich werden Sie ihn so verwickelt haben, daß er gar nicht wieder aufzuwickeln ist.

LELIO. Nun wohl; wenn er nicht wieder aufzuwickeln ist, so machen wir es, wie die schlechten Komödienschreiber, und zerreißen ihn.

VALER. Und werden ausgezischt, wie die schlechten Komödienschreiber.

LELIO. Immerhin![435]

VALER. Wie martern Sie mich mit dieser Gleichgültigkeit, Hilaria!

LELIO. Das war zu ernsthaft, Valer! Ich bin im Grunde so gleichgültig nicht; und Sie davon zu überzeugen: – gut! – so will ich noch heute einen Schritt in unserm Plane tun, den ich nicht genug vorbereiten zu können, geglaubt habe. Wir wollen die Hilaria erscheinen lassen, und versuchen, was sie für Glück in ihrer wahren Gestalt haben wird.

VALER. Sie entzücken mich! – Ja, liebste Hilaria, wir können nicht genug eilen, unser Schicksal zu erfahren. Hilft es nichts, so haben wir doch alles getan, was in unsern Kräften steht; und ich werde es endlich über mein Gewissen bringen können, einem wunderlichen Vater die Stirne zu bieten. Ich muß Sie besitzen, es koste, was es wolle. Wie glücklich werde ich sein, wenn ich mich öffentlich dieser Hand werde rühmen können – – Indem er die Hand küßt.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 433-436.
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