Siebenter Auftritt


[581] Staleno. Maskarill.


MASKARILL bei Seite. Jetzt muß ich ihm wider seinen Willen einen guten Dienst tun. Wie fange ichs an? Pst! – – Verziehen Sie doch noch einen Augenblick, Herr Staleno – –

STALENO. Was gibts?

MASKARILL. Ich sehe Sie für einen Mann an, der eine wohl gemeinte Warnung, wie es sich gehört, zu schätzen weiß.

STALENO. Du siehst mich für das an, was ich bin.

MASKARILL. Und für einen Mann, welcher nicht glaubt, daß ein Bedienter seinen Herrn eben verrate, wenn er nicht überall mit ihm in Ein Horn blasen will.

STALENO. Ei freilich muß sich ein Diener des Bösen, das sein Herr tut, so wenig als möglich teilhaftig machen. – – Aber wozu sagst du das? Hat Lelio wider mich etwas im Sinne?

MASKARILL. Sein Sie auf Ihrer Hut: ich bitte Sie, ich beschwöre Sie! Bei allem beschwöre ich Sie, was Ihnen auf der Welt lieb ist: bei der Wohlfahrt Ihres Mündels; bei der Ehre Ihrer grauen Haare.

STALENO. Du sprichst auch wirklich, wie ein Beschwörer. – – Aber weswegen soll ich auf meiner Hut sein?

MASKARILL. Des Anerbietens wegen, das Ihnen Lelio getan hat.

STALENO. Und wie so?

MASKARILL. Kurz, Sie und Ihr Mündel sind verlorne Leute, wenn Sie das Vorwerk annehmen. Denn erstlich muß ich Ihnen nur sagen, daß er fast eben so viel darauf schuldig ist, als der ganze Bettel etwa wert sein mag.

STALENO. Je nun, Maskarill, wenn es nur fast so viel ist – –

MASKARILL. Schon recht, so kömmt doch noch etwas dabei heraus. – – Aber hören Sie nur, was ich nun sagen will. Der Boden, worauf das Vorwerk liegt, muß gleich die Gegend sein, in welcher aller Fluch, der jemals über die Erde ausgesprochen worden, zusammen geflossen ist.

STALENO. Du erschreckst mich. – –

MASKARILL. Wenn rund herum alle Nachbarn die reichste[581] Ernte haben, so bringen die Äcker, die zu dem Vorwerke gehören, doch kaum die Aussaat wieder. Alle Jahre macht das Viehsterben die Ställe leer. –

STALENO. Man muß also kein Vieh darauf halten.

MASKARILL. Das hat Herr Lelio auch gedacht, und daher schon längst Schafe und Rinder, Schweine und Pferde, Hühner und Tauben verkauft. Allein, wenn das Viehsterben keine Ochsen findet: – – was meinen Sie wohl? – – so fällt es die Menschen an.

STALENO. Das wäre!

MASKARILL. Ja gewiß. Es hat kein Knecht ein halb Jahr da ausgehalten, und wenn er auch eine eiserne Gesundheit gehabt hätte. Die stärksten Kerls hat Herr Lelio im Wendischen mieten lassen; aber was halfs? das Frühjahr kam: weg waren sie.

STALENO. Je nun! so muß mans mit den Pommern versuchen. Das sind Leute, die noch mehr aushalten können, als die Wenden; Leute, wie Klotz und Stein.

MASKARILL. Und der kleine Busch, Herr Staleno, der zu dem Vorwerke gehört –

STALENO. Nun? der Busch?

MASKARILL. Im ganzen Busche ist kein Baum anzutreffen, in den es nicht entweder einmal eingeschlagen hätte, – –

STALENO. Eingeschlagen?

MASKARILL. Oder an den sich nicht einmal jemand gehenkt hätte. Lelio ist dem abscheulichen Busche auch so gram, daß er ihn noch alle Tage lichter machen läßt. Und glauben Sie wohl, daß er das Holz, das darinne geschlagen wird, fürs halbe Geld verkauft?

STALENO. Das ist schlecht.

MASKARILL. Ei! er muß wohl; denn die Leute, die es kaufen, und brennen wollen, wagen erstaunend viel. Bei einigen hat es die Öfen eingeschmissen, bei andern einen so stinkenden Dampf von sich gegeben, daß die Magd vor dem Herde dem Koche ohnmächtig in die Arme gefallen ist.

STALENO. Aber, Maskarill, lügst du wohl nicht?

MASKARILL. Ich lüge nicht, mein Herr, wenn ich Ihnen sage, daß ich gar nicht lügen kann. – – Und die Teiche – –[582]

STALENO. Auch Teiche hat das Vorwerk?

MASKARILL. Ja; aber Teiche, in welchen sich mehr Menschen ersäuft haben, als Tropfen Wasser darinne sind. Und da sich also die Fische von lauter menschlichem Luder nähren, so können Sie leicht denken, was das für Fische sein mögen?

STALENO. Große und fette Fische. – –

MASKARILL. Fische, die durch ihre Nahrung Menschenverstand bekommen haben, und sich daher gar nicht mehr fangen lassen; ja, wenn man die Teiche abläßt, so sind sie verschwunden. – – Mit einem Worte, es muß kein Winkel auf der ganzen Erde sein, wo man allen Schaden, alles Unglück so häufig und so gewiß antreffen könnte, als auf diesem elenden Vorwerke. Die Geschichte meldet uns auch, und die Historie bestätiget es, daß seit dreihundert und etlichen funfzig Jahren, – – oder seit vierhundert Jahren, – – kein einziger Besitzer des selben eines natürlichen Todes gestorben sei.

STALENO. Außer die alte Pate doch, die es dem Lelio vermachte.

MASKARILL. Man redet nicht gerne davon; aber auch die alte Pate – –

STALENO. Nun?

MASKARILL. Die alte Pate ward des Nachts von einer schwarzen Katze, die sie immer um sich hatte, erstickt. Und es ist sehr wahrscheinlich, sehr wahrscheinlich, daß diese schwarze Katze – – der Teufel gewesen ist. – – Wie es meinem Herrn gehen wird, das weiß Gott. Man hat ihm prophezeit, daß ihn Diebe ermorden würden, und ich muß es ihm nachsagen, daß er sich alle Mühe gibt, diese Prophezeiung zu Schanden zu machen, und die Diebe durch eine großmütige Aufopferung seines Vermögens von sich abzuwehren; aber gleichwohl – –

STALENO. Aber gleichwohl, Maskarill, werde ich seinen Vorschlag annehmen. – –

MASKARILL. Sie? – – Gehen Sie doch! das werden Sie nimmermehr tun.

STALENO. Gewiß, ich werde es tun.[583]

MASKARILL bei Seite. Der alte Fuchs!

STALENO bei Seite. Wie ich ihn martre, den Schelm! – – Aber doch, Maskarill, danke ich dir für deine gute Nachricht. Sie kann mir wenigstens so viel nützen, daß ich meinen Mündel das Vorwerk zwar nehmen, aber auch gleich wieder verkaufen lasse.

MASKARILL. Am besten wäre es, Sie gäben sich gar nicht damit ab. Ich habe Ihnen noch lange nicht alles erzählt. – –

STALENO. Verspare es nur; ich habe ohnedem jetzo nicht Zeit. Ein andermal, Maskarill, bin ich deinen Possen wieder zu Diensten. Geht ab.


Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 1, München 1970 ff., S. 581-584.
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