[270] Szene: ein Audienzsaal in dem Palaste des Saladin.
Saladin und Sittah.
SALADIN im Hereintreten, gegen die Türe.
Hier bringt den Juden her, so bald er kömmt.
Er scheint sich eben nicht zu übereilen.
SITTAH.
Er war auch wohl nicht bei der Hand; nicht gleich
Zu finden.
SALADIN.
Schwester! Schwester!
SITTAH.
Tust du doch
Als stünde dir ein Treffen vor.
SALADIN.
Und das
Mit Waffen, die ich nicht gelernt zu führen.
Ich soll mich stellen; soll besorgen lassen;
Soll Fallen legen; soll auf Glatteis führen.
Wenn hätt' ich das gekonnt? Wo hätt' ich das
Gelernt? – Und soll das alles, ah, wozu?
Wozu? – Um Geld zu fischen; Geld! – Um Geld,
Geld einem Juden abzubangen; Geld!
Zu solchen kleinen Listen wär' ich endlich
Gebracht, der Kleinigkeiten kleinste mir
Zu schaffen?
SITTAH.
Jede Kleinigkeit, zu sehr
Verschmäht, die rächt sich, Bruder.
SALADIN.
Leider wahr. –
Und wenn nun dieser Jude gar der gute,
Vernünftge Mann ist, wie der Derwisch dir
Ihn ehedem beschrieben?
SITTAH.
O nun dann!
Was hat es dann für Not! Die Schlinge liegt
Ja nur dem geizigen, besorglichen,
Furchtsamen Juden: nicht dem guten, nicht
Dem weisen Manne. Dieser ist ja so
Schon unser, ohne Schlinge. Das Vergnügen
Zu hören, wie ein solcher Mann sich ausredt;[270]
Mit welcher dreisten Stärk' entweder, er
Die Stricke kurz zerreißet; oder auch
Mit welcher schlauen Vorsicht er die Netze
Vorbei sich windet: dies Vergnügen hast
Du obendrein.
SALADIN.
Nun, das ist wahr. Gewiß;
Ich freue mich darauf.
SITTAH.
So kann dich ja
Auch weiter nichts verlegen machen. Denn
Ists einer aus der Menge bloß; ists bloß
Ein Jude, wie ein Jude: gegen den
Wirst du dich doch nicht schämen, so zu scheinen
Wie er die Menschen all sich denkt? Vielmehr;
Wer sich ihm besser zeigt, der zeigt sich ihm
Als Geck, als Narr.
SALADIN.
So muß ich ja wohl gar
Schlecht handeln, daß von mir der Schlechte nicht
Schlecht denke?
SITTAH.
Traun! wenn du schlecht handeln nennst,
Ein jedes Ding nach seiner Art zu brauchen.
SALADIN.
Was hätt' ein Weiberkopf erdacht, das er
Nicht zu beschönen wüßte!
SITTAH.
Zu beschönen!
SALADIN.
Das feine, spitze Ding, besorg ich nur,
In meiner plumpen Hand zerbricht! – So was
Will ausgeführt sein, wies erfunden ist:
Mit aller Pfiffigkeit, Gewandtheit. – Doch,
Mags doch nur, mags! Ich tanze, wie ich kann;
Und könnt' es freilich, lieber – schlechter noch
Als besser.
SITTAH.
Trau dir auch nur nicht zu wenig!
Ich stehe dir für dich! Wenn du nur willst. –
Daß uns die Männer deines gleichen doch
So gern bereden möchten, nur ihr Schwert,
Ihr Schwert nur habe sie so weit gebracht.
Der Löwe schämt sich freilich, wenn er mit
Dem Fuchse jagt; – des Fuchses, nicht der List.
SALADIN.
Und daß die Weiber doch so gern den Mann[271]
Zu sich herunter hätten! – Geh nur, geh! –
Ich glaube meine Lektion zu können.
SITTAH.
Was? ich soll gehn?
SALADIN.
Du wolltest doch nicht bleiben?
SITTAH.
Wenn auch nicht bleiben ... im Gesicht euch bleiben –
Doch hier im Nebenzimmer –
SALADIN.
Da zu horchen?
Auch das nicht, Schwester; wenn ich soll bestehn. –
Fort, fort! der Vorhang rauscht; er kömmt! – doch daß
Du ja nicht da verweilst! Ich sehe nach.
Indem sie sich durch die eine Türe entfernt, tritt Nathan zu der andern herein; und Saladin hat sich gesetzt.
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