Avolent quantum volent paleae levis fidei quocunque afflatu tentationum, eo purior massa frumenti in horrea domini reponetur.
Tertulli.
Also: – »meine mittelbaren und unmittelbaren feindseligen Angriffe auf die christliche Religion.«
Nun dann! So hält Hr. Goeze doch wenigstens einen Spruch im Neuen Testament für nicht eingegeben, für nicht göttlich; sondern für eine bloße menschliche gute Lehre, von welcher er Ausnahmen nach Gutdünken machen darf. Verdammet nicht, so werdet ihr auch nicht verdammt!
Zwar nein! Er selbst verdammt ja nicht. Er wiederholt nur die Verdammung, welche der h. Geist ausgesprochen. Er hat bloß die Ehre und das Vergnügen, den Herren Basedow, Teller, Semler, Bahrdt, den Verfassern der Allgemeinen Bibliothek, und meiner Wenigkeit, die Verdammung anzukündigen. Denn da stehts! Wer nicht gläubt, der wird verdammt!– Ihm nicht glaubt; nicht gerade das nämliche glaubt, was er glaubt – wird verdammt!
Warum sollte er also nicht, trotz seines fleißigen Verdammens, welches ja nur das unschuldige Echo des Donners ist, selig zu werden hoffen? Ich bilde mir ein, daß er selbst durch dieses Verdammen selig zu werden hoffet. Was Wunder? hoffte nicht jene fromme Hure, durch Kinderzeugen selig zu werden? Die Worte, worauf sie sich gründete, stehn auch da.
Und wie säuberlich, wie sanft, wie einschmeichelnd er, noch mit unter, bei diesem kitzlichen Geschäfte zu Werke geht, Ganz in dem Tone, und in der Manier eines gewissen Monsieur Loyal, in einer gewissen Komödie, die man vor gewissen Leuten nicht gern nennet. Er ist für meinen Ruhm – ha! was liegt an dieser[218] Seifenblase? – er ist für meine Seligkeit so besorgt! Er zittert so mitleidig vor meiner Todesstunde! Er sagt mir so gar hier und da recht artige Dinge, – nur damit es mich nicht allzusehr schmerze, daß er mich aus dem Hause meines Vaters wirft.
Ce Monsieur Loyal porte un air bien deloyal!
Doch was tut alles das zur Sache? Laßt uns die Beschuldigungen selbst vornehmen. – Genug, daß mich mein Herz nicht verdammet, und ich also, mit aller Freudigkeit zu Gott, einem jeden intoleranten Heuchler, der mir so kömmt, die Larve vom Gesicht reißen darf, – und reißen will, – sollte auch die ganze Haut daran hängen bleiben!
Von meinen mittelbaren Angriffen demnach zu erst. – Unter diesen versteht der Hr. Hauptpastor »den von mir veranstalteten Druck der Fragmente, die von mir übernommene Advokatur des Verfassers derselben.«
Jenes ist notorisch: ich kann es so wenig leugnen, als ich es leugnen möchte, wenn ich auch könnte. Dieses will ich durchaus von mir nicht gesagt, – wo möglich auch nicht gedacht wissen. Wenigstens in dem Sinne nicht, welchen der Hr. Hauptpastor damit verbindet.
Ich habe die Fragmente drucken lassen: und ich würde sie noch drucken lassen, wenn mich auch aller Welt Goezen darüber in den tiefsten Abgrund der Hölle verdammten. Die Gründe, warum ich es mit gutem Gewissen tun zu können geglaubt, habe ich verschiedentlich auch schon beigebracht. Aber Hr. Goeze will mir nicht eher zugestehen, daß diese Gründe das geringste verfangen, als bis ich ihn überführe, daß die nämlichen Gründe mich rechtfertigen würden, »wenn ich Fragmente drucken ließe, in welchen die Gerechtsame des hohen Hauses, dem ich diene, die Ehre und Unschuld der ehemaligen großen und unbescholtenen Minister desselben, und selbst des regierenden Herrn, so angegriffen würden, als dort, in jenen Fragmenten, die Wahrheit der christlichen Religion, die Ehre und Unschuld der h. Apostel, und selbst unsers ewigen Königs, angegriffen wirklich werde.«
Wie kindisch! und wie pfiffig, wie boshaft zu gleich! – Denn lassen Sie uns doch, Hr. Hauptpastor, vor allen Dingen die Sache auf beiden Teilen erst gleich machen. Sie haben eine Kleinigkeit auch in die andre Waagschale zu legen vergessen: und Sie wissen[219] wohl, im Gleichgewichte gibt jede Kleinigkeit den Ausschlag. Also nur dieses erst berechtiget; und ich hoffe, Sie werden mir das beizubringende glaubwürdige Zeugnis meiner Obern gütigst erlassen.
Nämlich; nehmen Sie doch nur an, daß dergleichen historische und politische Fragmente, als durch deren Druck Sie mich gern auf das Eis führen möchten, von der Beschaffenheit wären, daß ihr Ungrund nicht allein klar und deutlich in die Augen leuchte, sondern sie zugleich auch einen unverhofften Anlaß und Stoff gäben, die Ehre und die Gerechtsamen des nämlichen Hauses noch von mehrern Seiten zu verherrlichen und zu erhärten: was ist sodann Ihr Zweifel, ob ich dergleichen Fragmente wohl dürfe drucken lassen? worauf gründet er sich? Darauf: daß es doch wohl mit jener Ehre, und jenen Gerechtsamen noch so ausgemacht nicht sei? Darauf: daß man einen wandelbaren Grund nicht noch mehr untergraben müsse? selbst in der Absicht nicht, ihn zu verstärken? – O, Herr Hauptpastor, das Durchlauchtigste Haus meines Herrn ist Ihnen für diese Schmeichelei, für diese Besorgnis recht sehr verbunden! recht sehr! – Darüber getraue ich mir allenfalls, Ihnen ein glaubwürdiges Zeugnis von meinen Obern beizubringen.
Oder darf ich, was ich bei den Gerechtsamen des Hauses annehme, dem ich diene, bei der Wahrheit der Religion nicht annehmen, die ich bekenne? Darf ich nicht darauf rechnen, daß alle Einwendungen gegen diese, wenigstens eben sowohl zu beantworten sind, als gegen jene? Darf ich nicht erwarten, daß auch hier neue Einwürfe neue Erörterungen, geschärftere Zweifel geschärftere Auflösungen veranlassen werden? Nicht?
»Allerdings! ruft der Hr. Hauptpastor, allerdings! Die Religion, betrachtet als Inbegriff der zu unsrer Seligkeit geoffenbarten Wahrheiten, gewinnet allerdings, je aufrichtiger und scharfsinniger sie bestritten wird. Aber, das ist nur die objektive Religion; nur die objektive! Mit der subjektiven ist es ganz anders. Die subjektive Religion verlieret unwidersprechlich, durch dergleichen Bestreitungen, unendlich mehr, als jene nur immer dadurch gewinnen kann! Folglich – –«
Und was ist diese subjektive Religion? – »Die Gemütsverfassung der Menschen, in Absicht auf die Religion, ihr Glaube, ihre[220] Beruhigung, ihr Vertrauen auf uns, ihre Lehrer. Die, die periklitieren bei jedem Worte, das in deutscher Sprache gegen unsere allerheiligste Religion geschrieben wird.«
So! Bei Gott! ein tiefgedachter Unterschied, den ich ja in seinen Schulterminis zu lassen bitte, wenn er nicht ausgepfiffen, und gerade gegen seine Bestimmung gebraucht werden soll.
Denn, wenn es wahr ist, daß die Religion bei allen und jeden Anfällen, die auf sie geschehen, objektive gewinnt, und nur subjektive verliert: wer will behaupten, daß es also nach dem größern Gewinne, oder nach dem größern Verluste entschieden werden müsse, ob dergleichen Anfälle überhaupt zu dulden sind, oder nicht. Ja, wenn Gewinn und Verlust hier völlig homogene Dinge wären, die man nur von einander abzuziehn brauche, um sich durch den Überrest bestimmen zu lassen! Aber der Gewinn ist wesentlich: und der Verlust ist nur zufällig. Der Gewinn erstreckt sich auf alle Zeiten: der Verlust schränkt sich nur auf den Augenblick ein, so lange die Einwürfe noch unbeantwortet sind. Der Gewinn kömmt allen guten Menschen zu statten, die Erleuchtung und Überzeugung lieben: der Verlust trifft nur wenige, die weder wegen ihres Verstandes, noch wegen ihrer Sitten in Betracht zu kommen verdienen. Der Verlust trifft nur die paleas levis fidei; nur die leichte christliche Spreu, die bei jedem Windstoße der Bezweiflung von den schweren Körnern sich absondert, und auffliegt.
Von dieser, sagt Tertullian, mag doch verfliegen so viel als will! Avolent quantum volent! – Aber nicht so unsre heutigen Kirchenlehrer. Auch von der christlichen Spreu soll kein Hülschen verloren gehen! Lieber wollen sie die Körner selbst nicht lüften und umwerfen lassen.
Überhaupt läßt sich alles, was Tertullian8 von den Ketzereien seiner Zeit, mit so vieler Scharfsinnigkeit sagt, vollkommen auf die Schriften der Ungläubigen und Freigeister unsrer Zeit anwenden. Was sind diese Schriften auch anders als Ketzereien? Nur daß ihnen gerade noch das gebricht, was die eigentlichen Ketzereien so fürchterlich macht. Sie zielen unmittelbar auf keine Spaltung und Trennung; sie machen keine Parteien und Rotten.[221] Die alten Ketzer lehrten mehr mündlich als schriftlich, und fingen immer damit an, daß sie sich Anhänger zu verschaffen suchten, welche ihren vorzutragenden Lehren sogleich ein politisches Gewicht geben könnten. Wie viel unschädlicher schickt itzt ein Mißgläubiger seine Grillen bloß in die Druckerei, und läßt sie so viel Anhänger sich machen, als sie ohne sein weiteres Zutun, sich zu machen vermögen. –
Die freigeisterischen Schriften sind also offenbar das kleinere Übel: und das kleinere Übel sollte verderblicher sein, als das große? Wenn das größere Übel sein muß, auf daß die, so rechtschaffen sind, offenbar werden, – ut fides, habendo tentationem, haberet etiam probationem: warum wollen wir das kleinere nicht dulden, das eben dieses Gute hervorbringt?
O ihr Toren! die ihr den Sturmwind gern aus der Natur verbannen möchtet, weil er dort ein Schiff in die Sandbank vergräbt, und hier ein anders am felsigten Ufer zerschmettert! – O ihr Heuchler! denn wir kennen euch. Nicht um diese unglücklichen Schiffe ist euch zu tun, ihr hättet sie denn versichert: euch ist lediglich um euer eignes Gärtchen zu tun; um eure eigne kleine Bequemlichkeit, kleine Ergetzung. Der böse Sturmwind! da hat er euch ein Lusthäuschen abgedeckt; da die vollen Bäume zu sehr geschüttelt; da eure ganze kostbare Orangerie, in sieben irdenen Töpfen, umgeworfen. Was geht es euch an, wie viel Gutes der Sturmwind sonst in der Natur befördert? Könnte er es nicht auch befördern, ohne eurem Gärtchen zu schaden? Warum bläset er nicht bei eurem Zaune vorbei? oder nimmt die Backen wenigstens weniger voll, sobald er an euren Grenzsteinen anlangt?
Wenn Tertullian von denen, die sich zu seiner Zeit an den Ketzereien so ärgerten, über deren Fortgang so wunderten, sagt: vane et inconsiderate hoc ipso scandalizantur, quod tantum haereses valeant: was würde er von Ihnen sagen, Herr Hauptpastor, der Sie um die papierne Grundlage einer möglichen Ketzerei so ein Lärmen anfangen? Um Fragmente eines Ungenannten! Würde er nicht auch sagen: »Kurzsichtiger, – nihil valebunt, si illa tantum valere, non mireris? Dein Lärmen selbst ist Schuld, wenn diese Fragmente mehr Schaden anrichten, als sie anzurichten bestimmt sind. Der Ungenannte wollte sich keinen Namen erschreiben: sonst hätte er sich genannt. Er wollte sich kein[222] Häufchen sammlen: sonst hätte ers bei seinen Lebzeiten getan. Mit einem Worte: der diese Fragmente drucken ließ, hat weit weniger Verantwortung, als Du, der Du das laute Zeter über sie anstimmst. Jener hat nur gemacht, daß mehrere sie lesen können: Du machst, daß mehrere sie wirklich gelesen haben, und nun lesen müssen.« –
Vielleicht, daß der Herr Hauptpastor diesen Verweis aus dem Munde eines Kirchenvaters lieber hört, als aus meinem! –
1) Habe ich denn auch dem Herrn Goeze die Rezension des Maschoschen Buchs einzig und allein in die Schuh gegossen? Habe ich nicht ausdrücklich gesagt, Goeze und Compagnie? Die Compagnieschaft mit den freiwilligen Beiträgern kann er doch nicht ableugnen, mit welchen er sich einer gemeinschaftlichen Firma bedient? Meint denn der Herr Hauptpastor, weil er sich, außer dieser gemeinschaftlichen Firma, auch noch einer besondern, ihm allein eignen, von Zeit zu Zeit bedienet, daß er für jene gar nicht mit einstehen darf? Ich will es ihm zugeben, wenn er wenigstens nun, da er weiß, daß das Buch des Herrn Mascho eben die Grundsätze enthält, die er an mir verdammet, nächstens den Herrn Mascho in den Fr. Bei. eben so behandelt, als mich. – 2) Warum muß denn Herr Nicolai immer dem Herrn Goeze namentlich büßen, so oft in der Allgemeinen Bibliothek etwas vorkömmt, was ihm nicht ansteht? Herr Nicolai ist auch nicht Director der A. B. Herr Nicolai bekömmt auch nicht alle Aufsätze vorher zu sehen, die in der A. B. Platz finden. Vielleicht, daß er selbst nie ein Wort gegen ihn geschrieben hat. Was sich Herr Goeze mit Nicolai erlaubt: das sollte ich mir nicht mit Goezen erlauben dürfen? – 3) Und von dieser Kleinigkeit, wenn ich mich auch damit geirret hätte, sollen die Leser auf meine übrigen Behauptungen einen Schluß machen? Ja, wenn sie so schließen wollen, wie Herr Goeze oder Herr E. schließt! Dieser Herr E. mag sein, wer er will. Näher zu kennen verlange ich ihn gar nicht.[223]
8 | De praescript. haereticorum. |
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