|
[21] (Missunde bei Schleswig, 7. August 1250.)
»König Erich, die Faust auf den Widerrist,
Laß tanzen den Hengst im Grase.
Vergiß den alten Bruderzwist,
Wir trinken aus einem Glase.«
Herzog Abel schrieb das. König Erich ritt ein,
Und lag im Bruderarme.
Viel Jauchzen der Ritter im Abendschein,
Lauge Gudmundson schwieg im Schwarme.
Am Morgen früh weckt Hornstoß und Tusch,
Zu hetzen Wolf und Elche.
Die Brüder zusammen im Heidebusch,
Sie trinken aus einem Kelche.
Der Herzog allein. Zur Seiten nur
Ritter Lauge mit Speer und Pfeilen.
»Sprich, Lauge, wo blieb Wieb Stures Spur,
Wem hilft sie die Freuden teilen?«
Der König allein. Zur Seiten nur
Ritter Lauge mit Speer und Pfeilen.
»König Erich, wo blieb Wieb Stures Spur,
Wem hilft sie das Leben teilen?«
Erich Plogpenning zischt. Den Stachel sticht
Dem Rothengst er in die Weichen.
»Bei Sanct Jürgen, ich weiß es nicht,«
Und sucht die Jagd zu erreichen.
[22]
Am Abend Humpenaus, Zinken und Tanz,
Beim Brettspiel König und Knappen.
Der Mond flicht draußen den alten Kranz
Um Lauben und steinerne Wappen.
Der Herzog allein. Zur Seiten nur
Ritter Laug' im Wams von Seiden.
»Sprich, Lauge, wo blieb Wieb Stures Spur,
Wen küßt sie von euch beiden?«
»Vom Trinken ist dir die Stirne heiß,
König Erich, die Luft ist trocken.
Mein Segel wiegt unten, scharlach und weiß,
Steig' ein, und kühle die Locken.«
Schloßknechte spannen den Baldachin,
Vom Söller winkt der Bruder.
Der König schläft auf dem Hermelin,
Und leise tauchen die Ruder.
Verworren Getön vom Prunkgelag,
Der Wachen und Stundenrufer.
Da schießt mit gleichem Einfallschlag
Ein ander Boot vom Ufer.
»Halt, halt, König Erich!" ... Fackeln im Wind
Flackern um schwarze Figuren.
»Wo blieb Wieb Sture, gieb Antwort, geschwind,
Gieb Antwort, wo blieb Wieb Sturen?«
»Bei Sanct Jürgen, ich riß sie dir Hund vom Leib,«
Schreit der König, die Lippen beben.
»Bei Sanct Jürgen, sie war mir Zeitvertreib
Zwei Wochen von meinem Leben.«
[23]
Der Ritter ringt ihm den Dolch vom Gehenk,
Und treibt ihn dem König ins Herze.
Das rote Blut tropft ins wüste Gemeng,
Stumm leuchtet oben die Kerze.
Wo Lauge durchstach den erlauchten Herrn,
Am Ufer steht die Kapelle,
Da steht die Kapelle zum finstern Stern,
Unheimlich klatscht dort die Welle.
Herzog Abel schwor beim Himmel weit
Und der reinen Magd im Dome,
Und ließ dem Mörder wenig Zeit,
Den zupf der Fisch im Strome.
Herzog Abel schob nichts auf die lange Bank,
In Roeskilde ließ er sich krönen.
In die Königsburg ritt er frech und frank,
Drommeten und Trummen dröhnen.
Buchempfehlung
E.T.A. Hoffmanns zweiter Erzählzyklus versucht 1817 durch den Hinweis auf den »Verfasser der Fantasiestücke in Callots Manier« an den großen Erfolg des ersten anzuknüpfen. Die Nachtstücke thematisieren vor allem die dunkle Seite der Seele, das Unheimliche und das Grauenvolle. Diese acht Erzählungen sind enthalten: Der Sandmann, Ignaz Denner, Die Jesuiterkirche in G., Das Sanctus, Das öde Haus, Das Majorat, Das Gelübde, Das steinerne Herz
244 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro