Egeriagrotte

[40] Egeria, lieblicher Name, du lebst

Im Hain noch, im Felsen der Quelle,[40]

Im Dunkel der Eichen! Du weilst, du webst

Am Brunnen, im Eppich der Schwelle.


Hier ward, o Nymphe, mit Reigentanz

Dein Fest gefeiert in Chören;

Die Stürme der Zeit vermochten nicht ganz

Den heiligen Frieden zu stören.


Hier könnt' ich vergessen all' irdische Pein,

Die Sorgen in Lethe versenken.

O Tal der Liebe, stets will ich dein,

Hetrurisches Tempe, gedenken!


Ich glaub', es kommen in deinem Raum

Vom Born, aus dem sie stammen,

Die Seelen der Menschen, beflügelt im Traum,

In heimlichen Stunden zusammen.


Im Schlummer führt Eros an liebender Hand

Zu Lauben im Schatten der Myrten

Aus Fluten den Schiffer ans heimische Land,

Zu Hirten aus Nacht die Verirrten.

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 40-41.
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