Leuchtturm

[27] Schwarz an die Meerbucht

Schleudert der Südsturm

Schäumende Brandung.

Hoch von der Berghöh'n

Trotzigem Felshaupt

Flammt wie von hundert

Fackeln der Leuchtturm,

Leuchtet und kündigt

Richtung dem Seemann,

Rettung und Landung.

Dumpf in die Wellen

Murmelt der erzne

Atlas des Meeres,

Der wie ein Schutzgeist

Doppelte Leuchter

Über sein Haupt hält:

Einsam und danklos

Halt' ich hier oben[27]

Schlaflos ein ewig

Wachendes Hochamt.

Zornig umtost mich

Täglich die Brandung,

Schleudert mir höhnisch

Leichen und Wrack zu.

Todesangst ringt

Jammernd und fruchtlos

Nach mir empor, und

Wer in der Sturmnot

Auf und zu mir blickt,

Dankt mir im Aufblick

Zagender Hoffnung.

Aber am Land dort

Drängen sich achtlos

Schiffer und Kaufmann

Wägend zum Marktplatz.


Immerhin – ringsum

Wirble du Windsbraut,

Brichst mir ja doch nicht

Meine Granitbrust,

Löschest mir doch nicht

Meinen errettenden,

Lenkenden Lichtblick.

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 27-28.
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