Mond im See

[57] Über Höhn, die dunkel liegen,

Leuchtend in sein Geisterreich

Kommt der Mond heraufgestiegen,

Einer Feuerlilie gleich.


Höher schwebend, immer blasser

Wird sein Licht im Nachtazur,

Aber unter ihm die Wasser

Strahlen umso schöner nur.


Sanft aus ewigem Gefilde

Blickt sein Glanz, wie ein Gemüt,

Das sich selbst bezwang und milde

Nun in reinster Regung glüht.


Du verhüllst dich –– und ein Schatten

Dunkelt um die Wellen weit,[57]

Die durch dich geleuchtet hatten,

Stolzer Stern der Einsamkeit.

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 57-58.
Lizenz:
Kategorien: