Das Halali

[167] Sein Jagdschloß war auf viele Meilen weit

Von Forst umgeben, und er jagte da

Vom ersten Frührot bis zur Dunkelheit

Auf alles, was er leben sah.

Er schoß den Hirsch, das Reh, den Reiher,

Den Falken und die Entenschar im Weiher.

Parforcejagd war sein Höchstes, oder Wild

Im Bau gepackt vom Hund. Den Troß, die Meute

Und das Halali stellte dar manch Bild

Im Schlafgemach, im Speisesaal; die Beute

Darüber hängend zeigte rings Geweih

Und seine Lust und Augenweid' in Schränken:

Gewehre, Pulverhörner, Haufen Blei.

Gebreitet lagen über Tisch und Bänken

Erlegter Tiere Decken und darauf

Die Becher und die Leuchter aus Gebeinen;

Denn außer Jagd und Mast von wilden Schweinen

War noch das Zechgelag sein Lebenslauf.


Es kam der Krieg, und alsobald

Ward aufgebrochen und ins Feld gezogen.[167]

Auch da war oft die Szene noch der Wald,

Doch kam auf ihn das Blei jetzt hergeflogen,

Und einst – sieh da – traf eine Kugel ihn,

Den Jäger, in die Brust. Er schleppte lechzend

Nach einem Bach sich unter Tannen hin

Und hauchte dort, nur hie und da noch ächzend,

Ganz einsam still sein Leben aus,

Ganz wie das Wild, dem er so oft zu Haus

Das gleiche Los bereitet hatte. Ferne

Verhallte das Getös der Schlacht,

Und durch die Tannen schien das Licht der Sterne.


Da schlich ein Leichenräuber durch die Nacht;

Er sah den Toten liegen, bog

Sich über ihn und zog

Ein Weidmannsmesser aus der Tasche, schlitzte

Das Koller auf, aus dem es rann

Wie Wellen laut'res Golds, und schnitt sodann

Den Finger durch, an dem ein Demant blitzte.

Er riß mit einem zweiten Griff

Ein Kettlein aus der Brust, wie seinen Fang

Ein Habicht packt, dann schlich er sich entlang

Des Baches fort, indem er etwas pfiff,

Was frisch und froh wie ein Halali klang.

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 167-168.
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