Der ewige Spieler

[168] Zwei Türme noch, Wall und Graben,

So ragt eine Burg im Forst,

Auf ihrer Zinne haben

Die Falken einen Horst,


Und unten auf düstern Schwellen

Der ewige Spieler haust,

Und mit ihm seine Gesellen,

Die Karten in der Faust.
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Mit klirrendem Sporn, die rote

Hahnfeder auf dem Hut,

So sitzen sie da, drei Tote,

Beim Schein der Höllenglut.


So haben sie sonst im Leben

Beisammen gesessen spät,

Die Karten gemischt und gegeben,

Noch früh wenn der Hahn gekräht.


Sie haben die Kirchtür' erbrochen,

Darin gespielt, und dort

Hat Einer den Andern erstochen,

Und immer noch spielen sie fort.


Die Würfel und die Karten

Sind härter als der Stein

Und graben tiefe Scharten

Dem Tisch und Felsen ein.


Da geht's an ein Trumpfen und Stechen

Mit König und Ober und As,

Nur Flüche die Lippen sprechen,

Die Herzen nur glühenden Haß.


Und tiefer brennen die Kerzen,

Der ewige Spieler lacht:

»Es waren doch immer Herzen,

Womit ich Glück gemacht.


Die Herzen, die kleinen Toren,

Betrog ich allezeit,

Jetzt hab' ich alle verloren,

Dazu die Seligkeit.«


Drauf wirft er in lodernde Flammen

Die Karten mit einem Fluch,

Und über ihm schlägt zusammen

Ein brennendes Leichentuch.

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 168-169.
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