Töchter des Gebirgs

[162] Töchter des Gebirgs, die braunen

Indiermädchen nahn zum Baden

Sich des Stromes Felsgestaden.

Wie sie lauschen, wie sie staunen

Vor den schäumenden Kaskaden!


Ungewohnt nicht ist die Stelle,

Aber heut schon eingenommen:

Wilde Pferde sind gekommen,

Pferde der Prärie, die schnellen,

Haben Furt und Flut durchschwommen.


Wiehernd tummelt sich die Gruppe,

Jagt sich in ein stillres Becken.

Wie sie da die Nüstern strecken

Eines auf des andern Kruppe

Und sich schmeicheln und sich lecken!


Doch die Mädchen, sie besinnen

Sich nicht lang, und wie im Fluge

Sitzt schon jede fest am Buge,

Lauter junge Kriegerinnen,

Bergestöchter, rasche, kluge.


Wurfspeer' halten ihre Zähne.

Von der Federn Schmuck umflogen

Und den nackten Arm gebogen

Um der Rosse Hals und Mähne,

Reiten sie hindurch die Wogen.


Von der Felsen Schlinggehänge,

Vom Gezweig der Riesenbäume

Brechen sie sich grüne Zäume.[162]

Um das schwellende Gedränge

Sprüht der Wasserfall die Schäume.

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 162-163.
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