Tilly

[163] Wer ist Der dort vor dem Lager,

Jenes steinerne Gesicht,

Jener Reiter, hoch und hager? –

Was? Du kennst den Tilly nicht?


Auf dem Hut die rote Feder

Gibt ihm rechten Teufelsschein,

Durch sein Wams von Elenleder

Drang noch keine Kugel ein.


Gleicht er nicht den letzten Boten,

Einem jener Reiter nicht,

Die dereinst durchs Feld der Toten

Laden zu dem Weltgericht?


Auf ein Haus im dürren Rasen

Trabt er zu, rasch steigt er ab,

Und die Heertrompeter blasen

Zur Beratung seinen Stab.


Denn vor Leipzig gibt es morgen

Eine schwere, heiße Schlacht,

Und er hat darob in Sorgen

Manche Stunde zugebracht.


Soll er freventlich es wagen

Und versuchen sein Geschick?

Und als wollt' er Geister fragen,

Späht durchs Fenster starr sein Blick.


Sieh, da tritt ein Alter eben

Durch die Tür und flüstert klug:[163]

»Morgen wird es Arbeit geben,

Mir und Euch, o Herr, genug!«


Auffährt Tilly: »Mir, wie Keinem!

Frecher, fort!« Und Meister Klaus

Bückt sich: »Herr, Ihr seid in meinem,

In des Totengräbers Haus.«

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 163-164.
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