2. An Doris

[1] Dein holdes Bildnis schwebt mir immer vor den Augen,

Durch Thal und Wälder folgt mir's nach!

Bald lächelnd; schlafend' dann, umscherzt von Zephyrs Hauchen

Und Liebesgöttern. Jetzund wach –

Bald wie am Wasserfall auf sanften Blumenbüschen,[1]

Du deine zarte Glieder streckst;

Und jetzt den jungen West, dich kühlend zu erfrischen,

Aus Rosenbüschen zu dir neckst.

Vom Myrthenstrauch, um den die Liebesgötter gauckeln,

Schwingt Amor sich auf deinen Schooß,

Sie flattern alle nach, und stoßen sich, und schauckeln

Einander in das weiche Mooß.

Bald wie Cytherens Sohn, der zärtlich dich betrachtet,

Drey goldne Pfeile auf dich schießt.

Daß nun dein blaues Aug, in dem ein Amor schmachtet,

Empfindungsvoll sich halb verschließt.

Bald seh ich dich am Bach mit deinen Haren spielen;

Am Bach, wo ich dich jüngst beschlich.

Ich kann, o Göttliche! seit ich dich sah', nichts fühlen,

Nichts sehn, nichts denken, als nur dich.

Geheiligt sey, o Bach! den sanften süßen Schmerzen,

Den Schmerzen, wie mein Herz sie fühlt.

Dein sanftes Murmeln weck die Zärtlichkeit dem Herzen,

Dem Herzen, das die Liebe fühlt!

Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Gedichte. Jena 1873, S. 1-2.
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