Erster Gesang

[1373] Am schattigten Ufer des Moosquells saßen die Hirten versammlet und berateten sich, wie und wo sie ihren verlornen Satyr Mopsus suchen wollten, der noch verwichenen Abend so fröhlich mit ihnen gezecht. »Ach!« spricht einer, »liebe Brüder, was ist zu tun? – Hat ihn ein Zentaur uns gestohlen oder Pan vielleicht selbsten, daß er sich in seiner grünen Grotte an ihm belustige? – Laßt uns alle klagen; er ist fort – fort, ach! und wir sind alle verloren und in diesem Leben seh ich nun keine Lust weiter.«

Und die Knaben heulen alle von neuem, laufen hin und her – suchen immer noch, ob sie ihren lieben Satyr nicht wiederfänden, als ferne an einem dichten Brombeerstrauche ein milchhörnigtes Fäunchen schreit; – – »Funden, funden, ihr Brüder! hieher!« – – Mitten aus dem Gesträuche hervor ragte ein großer zottigter Bocksfuß, der auf moosigte Klippen seinen Schatten warf; den sah von ferne der kleine Weinsäufer, klettert nach und guckt, und hält ihn und schreit von neuem: »Funden, funden, ihr Brüder! hieher!« – – Alle Knaben kommen nun herunter, erstaunen, sehen, wie ihr lieber alter Mopsus im dichtsten Brombeerstrauche ohnmächtig verwickelt liegt; mit Tränen ziehen sie ihn hervor, schlagen ihre felligte Mäntel um seine zerkratzten Schultern und tragen ihn auf ihren Armen in seine Behausung ein. – Neben Feuer legen sie ihn dort auf weiches Moos, waschen sein Angesicht mit feuchtem Schwamme und träuflen ihm Essig in seine Nase. Da beginnt er wieder zu atmen; kaum aber schlägt er die Augen auf, schauet er umher, heulet: – »Leb ich denn noch?« – Dann betrachtet er seine zerrissene Hände – und blutige Brust und heulet von neuem.

»Wie ist dir's, lieber Mopsus?« fragt nun der Knabe Myron, hockt sich vor den Ziegenfüßler hin und hält ihm den sinkenden Kopf. – »Sag um Pans willen, wie kamstu nur in den verfluchten[1373] Strauch, aus dem dich die Knaben erst gezogen?« – »Erzähl's doch!« »Ja, ja – will euch alles erzählen«, seufzt der Satyr – – »gebt mir nur vor ein wenig Brot und Wein, mein mattes Herz zu erlaben.« – – Sie gaben's ihm, und als er gessen und getrunken hatte, fing er also zu erzählen an: »Wie ich in den verfluchten Strauch kommen, darin ihr mich gefunden, habt ihr wohl Ursach, euch zu wundern. Hört nur! – – Aber eh ich noch ein Wörtchen weiter erzähle, helft mir vor auf alle Weiber schmälen. – – Oh! das ist das garstigste Gezücht, das Jupiter unter der Sonne geschaffen. – – Oh! das ist – – – –« »Warum guter Mopsus!« sagt der nußbraune Myron, »du sprachst doch sonst anders; wie kommt das?«

Mopsus: »Ja, ja! da kannt ich sie nicht; jetzt da ich's besser weiß, was Weibertücke brütet, will ich immer, immer schelten und ihnen gram sein – – setzt euch nur um mich her; – – – mein Treu! 's lohnt sich der Mühe, mir zuzuhören. – – – Ihr sollt's deutlich vernehmen, warum ich nun allen Weibsen so spinnefeind bin und was diese gottlose Quellennymphe Persina an mir verübet. – Ihr wißt's doch, daß ich in dies garstige Wassermädchen verliebt war, he? – – Was ich ihrentwegen vor Schmerzen und Kummer ausgestanden, mich vor Liebe abgehärmt, nicht geruht und geschlafen, wenn ich nachts auf nassen Felsen ihrer Höhle gegenübersaß und im kühlen Mondscheine ihr meinen Jammer vorgepfiffen; wißt ihr's?«

Myron: »Freilich – freilich wissen wir's – – haben dich ja oft drüber ausgelacht.«

Mopsus: »Gut! – – – Wie ihr alle heunt schlieft, ich ganz allein noch bei meinem Schlauche wachte, fiel mir's ein: – – was hilft all Weinen, du mußt einmal recht Wein trinken, lachen und fröhlichen Muts sein; wer weiß, gefällt das vielleicht dem Nymphchen besser. – – – Nun stand ich leise auf, nahm meinen Weinkrug und schlich zu des stolzen Mädchens Grotte hin, lachte und hüpfte im Mondschein, schrie und schwenkte den vollen Becher; – – mir war's in der Seele wohl; ich sang aus munterm Herzen: – – – ›Komm doch hervor Quellenmädchen, oder laß mich zu dir ein.‹ – – Dann trank ich wieder und rief weiter:

›Komm! tue mir eins Bescheid. – Ei, du Närrchen! kennst noch viel Süßes nicht.‹ Nun ward mir immer wohler und kecker ums Herz. – – ›Ei, Nymphchen!‹ rief ich, ›gib Antwort oder wo du länger schweigst, tue mir einer dies und das, wo ich nicht in deine Höhle krieche und mich gar spaßig zu dir lege.‹ – – – Nun[1374] lacht's hinter mir aus'm Gesträuche hervor. Ei! dacht ich, das ist gut Zeichen; jetzt will ich einmal aus ganzem Herzen meinen Gesang anbringen, den ich auf meine Liebe gedichtet, und worin ich ihr gar fein gefuchsschwänzet, mehr als der Nickel wert war. Setzte mich dann auf einen abgerissenen Eichenstrunk, ihrer Höhle gegenüber, und fing also an – – – Will's euch nur grad hinsingen, eh ich weiter auserzähle, damit ihr's nur selbst hört, ob das nicht ein schön Lied ist und was für ein schändliches Mensch diese Quellennymphe Persina ist, mich nicht zu lieben und mir so übel zu begegnen, als ihr hernach erfahren sollet. – – Hem!

›Laß dich belauschen, laß dich ertappen, Quellenmädchen! Du weißt nicht, wie gut das tut. – – Die Frühlingssonne wärmet; aber schmelzender ist ein Kuß, saftiger als weicher Käs und Kukumern. – – Meine Treu! Du glaubst nicht, wie süß 's Lieben ist; süßer als Honigfladen! – Ach! wenn ich dich nur in meinen Armen hätt, du Süße! hingst süßer dann an meiner Schulter, als Honigseim an eines Bären Schnauze – – – Oh! dein liebes Haar ist doch so licht wellicht, dein Busen wie weißer Schwamm; ach! wenn du Helle! auf meinem Schoße säßest, und dich an meine schwarze zottige Brust lehntest, dann müßtest erst recht hervorblinken: denn weiß auf schwarz sticht gar gut voneinander ab.

Soll ich denn immer jammern und leiden, und mein's doch so herzlich treu! – – – Oh! Nymphchen, Nymphchen! bedenk dich wohl. – Ich will mit dir scherzen und spielen, wenn du mich liebst; dich sollen alle Jungfrauen neiden, so gütlich will ich dir tun; – dich im Grünen jagen, dir die Kleider vom Leibe reißen und hetzen und kitzeln, daß einem behagt; – – – dann dich herum werfen auf den Bauch und deine Schenkel so lange pletschen, daß sie dir funklen sollen, wie eine zeitige Granate.

Ach! das wär doch eine Fröhlichkeit, dergleichen nichts über der Sonne gibt! Denk an das gut Leben und sei nicht so stolz! Ach, ach! kein Baum wär mir zu hoch, auf den ich nicht klimmen wollte, die Mandlen abzuschlagen, oder der Nüsse viel; der Rebe wollt ich nachkriechen an Felsen herabhangen, dir die schönsten Trauben zu schneiden, wenn du nur sagen wolltest, du seiest mein – – Ach! dies wär ein hell Wörtlein, wie ein Licht in der Nacht – – Ach! dies wär ein süß Wörtlein! ich stünde früh auf, es zu hören – ich stünde drum Ohrfeigen aus; so lieb bistu mir, meine Herzenskrone![1375]

Gewiß bin ich deiner wert! – – Wenn ich singe, horcht mir alles auf. – Was die Wachtel gegen den Guckguck ist, sind alle übrige Stimmen gegen mir: Denn keine hat soviel Gewalt, als meine. Ergreif ich die Flöte, hüpft alles um mich her; sogar meine unverständige Böcke lachen und tanzen um mich; sogar meine Kürbisflaschen klotzen mich an und paußen sich auf, als wollten sie mich loben. – – – Habe dir schon gepfiffen, daß einer nicht glauben sollte. – Mein Treu! der hungrige Wolf stand im Würgen still und horchte mir zu.

Und das sind meiner Tugenden nicht all. Mein Stier ist groß und stark, groß seine buschigte Stirne und stark sein spitziges Horn. – Voll mutigen Unwillens entwurzelt er Wälder; – sein eherner Fuß zermalmet den Kiesel und trübet die Luft; – Weit auf reißt er seine dampfende Nase und brüllt, daß Anger und Tal erschrickt; aber kaum schelt ich ihn aus – solltest's nur selbst sehen, steht er furchtsam wie ein Kind, vor mir – drehet sein großes Auge seitwärts, ähnlich dem sinkenden Monde; brummt hinab; – dann zieh ich ihn am Horne zur Mittagssonn auf, und gebiete. – – Er steht still, und ich schlummre geruhig in seinem Schatten.

Auch bin ich kein häßlicher Kerl nicht. – Mein Treu! das sagen doch alle Mädchen zu mir. – Mein Gesicht ist glatt wie ein Kuheuter; mein Bart kohlrabenschwarz; meine Hörner stehen aus meiner graulichten Locke heraus, wie zwei Tannen aus einem Schneehügel; und meine Wangen? – – Ach! die sind angespannt und voll, daß ohne mich zu rühmen, ich dem König Boreas gleiche, den Bacchidon, mit der Krone auf dem Haupte, an eine dicke Eiche geschnitzelt, wie er einsmals neun Täge und neun Nächte allen Wind untergeschluckt, um beim nächsten Feste, des Ozeans schlanken Töchterchen gar lieblich die Röcke von den Beinchen zu wehen. Du solltest's nur selbst sehen, wie wohl das geschnitzelt ist und wie groß und herrlich seine windvolle Backen hervorhangen, daß sie einer in die Ferne vor zwei Dudelsäcke nimmt. – – – Ja, du Liebes! du, betrachte mich recht, was lustigen Ansehens ich bin. – Mein Treu! du findst mein Näschen nicht in meinem dicken Gesicht: – – – Das sieht doch so lustig possierlich aus, daß ich oft selbst, wenn ich mich so von ohngefähr in einer Quelle ersah, mir hätte darüber einen Buckel lachen mögen.

Und das alles, alles will ich dir gönnen. – – Ach! wenn du nur wolltest – – Aber was hilft's? Dir allein will ich gefallen; dir zu[1376] Ehren tu ich doch alles, spiel mir fast die Finger krumm, und du merkst nicht drauf – Ach! schönhaariges Nymphchen, warum muß ich nur so gar sehr in dich vernarrt sein, daß kein Rat noch Ende mehr ist? – Oft wenn ich dir Täge lang nachschleiche, dich endlich hinter einer Dorne erhasche, schlüpfst du spottend aus meinen Armen weg, lachst noch, wenn du mich die leere Luft oder stachlichte Sträuche begierig an mein Herz reißen siehst. – Oh! du Grausame, du; – Oh! was hilft da klagen? Nichts – Wenn ich's überdenke, und mein Elend, und die Pein, und wie ich dich nicht haben soll, und gerne hätt; das alles macht mir die Seele ganz schwarz, daß ich mich hoch betrübe und mir vor Trübsal das Herz im Leibe wackelt, wie ein Lämmerschwänzchen. Ach! – – – denk ich doch oft: Lägst du nur wo kein Windlein dich mehr träf; daß des Jammers einmal ein Ende wär, und ich zu Frieden käme in kühler Erd. – Ja, so denk ich oft; – dann laufen mir Tränen wie junge Eicheln dick, über die Nase. Ach! ach! – – Ja du wirst mich noch hinrichten; denn alles ist umsonst. – Oft, wenn ich Tag und Nacht deine Spur verfolget, dich nirgends finde, treibet mich die Angst zu deiner Quelle hin; brünstig stürz ich dann bis über den Nabel darein; aber auch dann fliehestu in dein kristallenes Zimmer, lässest mich jammernden Gast allein.

Sieh doch! der Winter verheeret die Flur – – alle Faunen und Satyren, meine Brüder, verlassen dann Anger und Feld, verschließen sich tief in ihre Grotten und höhnen beim Weinmahl Wintersturms Toben, singen und geben draußen alles preis. Ach! die Glücklichen! sie freuen sich und spielen und sind daheim vergnügt. Mich allein treibt die Liebe von warmen Fellen hervor – – – Ach! was brauch ich dir's zu sagen! hast oft mein schnatternd Gewinsel gehöret, wenn ich am blumenleeren Rande deines beeisten Bordes saß – Ach! da saß ich und spielte in einer Kälte, die Wölfe zum Schreien bewegt und mir fast Mark und Bein verzehret, dir meinen Jammer vor; die Tränen, die von meinen Wangen fielen, rasselten zwar auf meiner Flöte, aber du bliebest doch ungerühret; unter deiner gläsernen Decke lagstu dann geruhig auf dem Rücken, daß ich dich ganz eigentlich sehen konnte. – Oh! du Gottlose bemerktest dann wohl mein Verlangen und wie ich lüstern hinsah auf deinen nackten Busen und alle meine Glieder sich gewaltig bewegten, dich zu fassen. Oh! du Gottlose! bäumtest dich dann noch artiger, und watscheltest mit deinen runden Füßchen, und winktest mir; und wehe! – Halbtrunken stürzt ich dann nach dir aufs Eis hin, streckte die Arme weit[1377] auseinander und schmelzte leider mit meinem dampfenden Busen den Schnee.

Tu was dir gefällt! der Frühling ist nun wieder da – Alles genießet der Freude; es paaret sich alles im Grünen und auf der Erde; mein Lämmchen, in meinem Schoß auferzogen, springt fort und sucht sich einen andern Freund; – das Rind springt mutig zum Bullen, und die ganze Herde brüllt ihm froh entgegen, da er stolz zur Weide kehrt; – mein Widder, gebadet im Quell, stellt sich am Buchstamm auf. Trocknet sich in der Sonne. Ei, sieh doch! da fallen zwei buhlende Täubchen aus der Luft, sitzen nieder auf seine verschlungene Hörner – Der lieblichen Tierchen gewohnt, achtet's mein höflicher Widder nicht; sie spielen und schnäbeln auf seinem Haupte fort, stolz auf seine artige Last, geht er und trägt sie, so kosend, unter seine wollichte Frauen.

Sag, soll einem nicht das Herz im Leibe zerspringen, dem allem zuzusehen, ohn ein gleiches zu tun? – – Eß deine Milch allein wenn dir's schmeckt; aber hab's mein Tag gehört, wo mehr sein, wohnt Segen. – Hab auch lange gedacht; schmeckt nichts besser, als was man selbst ißt, und wo viel in eine Schüssel fahren, gibt's schmale Brocken; aber ich wollte mir's absparen am Mund – siehstu! dir wollt ich's geben unter den Zähnen hervor. – – Was nur Gutes gäb an Äpfel, und Trauben und Nüssen und Beeren, wär alles dein. – – Oh! wie wollten wir leben! – – wie wollten wir leben! Dich füttern wollt ich am Tage und mästen, daß du feist würdest und dickbackigt und einen Kragen von Speck bekämst, wie ein fettes Ferkel. Ach, Amor und ihr Grazien! wie süß war das! – So lebten wir am Tage, und nachts schleiftestu mich, wenn ich etwa trunken im Feld läg, an den Beinen ganz liebreich in meine Wohnung ein. Ach! ach! – – dann solltestu mir jährlich Zwillinge bringen; davor steh ich dir! – Buben wie die Kälber, dickköpfigt und feueraugigt – Ach! ich kann's nicht mehr aushalten, wenn ich daran gedenke, wie das artig sein müßte, wenn du mir so auf dem Rücken hingest, an jeder Zitze ein zottigter Knabe mit aufgesperrtem Maul und jungen schwellenden Hörnger: – – Jawohl! mir steigen die Tränen ins Auge, wenn ich nur an die väterliche Freude gedenke; wenn ich dann ausginge zur Weide, oder am Abend wiederkäme, und du lägst dann unter unsern Knaben vor meiner Höhle, freundlich, wie eine Bache unter ihren Frischlingen. O du mein Liebes du! – – – Ach dann spräng ich wie ein Narr, zu dir hin, und du hingst, wie eine Närrin, an meinem Halse und unsre kleine[1378] Närrchen hüpften um uns herum. Oh! oh! Mag dich Pan aufs grimmigste davor strafen, wenn du mir 's Herzenleid antust und mich mit deiner Hartnäckigkeit um eine so schöne Nachkommenschaft bringst.

Hab so halber meinen Brüdern was von unserer Hochzeit gesagt. – – – Das soll einen Tanz geben! ha ha ha! Sie mögen sich rüsten und ihre Mädchen kränzen mit Myrten und Violen; ich will dich auch kränzen, schöner, als sie alle, solltu hervorprangen, meine Sonne! Einen halben Wald will ich um deine Stirne zäunen, der Tannenzapfen, Erdschwämme und Fichtenlaub unvergessen; einen ganzen Birkenast steck ich selbst zwischen meine Hörner, damit ich auch vor allen heraussteche und wir schmuck nebeneinandergehen, wie Braut und Bräutigam sollen. – – Dann müssen uns die Knaben Maien tragen, an deren Gipfel ich Kränzchen von Violen hängen will. – – – O du Liebliche! sollt dann sehen wie wohl alles gehen soll, und wir wollen herzlich lustig sein, tanzen und springen, fressen auf beiden Backen, daß 's pufft – – aus Küblen Wein saufen, und die liebe Sonne soll's sehen und überm hellen Himmel, mit uns vor Freude jauchzen.‹

Seht, so hab ich gesungen! – – Ist das nicht schön? Mit solch einem herzbrechenden Liede hätt ich wollen Tiger auf ihren Jungen zähmen und Steine zum Greinen bewegen. – – Aber ihr sollt's hören, wie übel einem in dieser Welt gelohnt wird. – – Kaum war ich mit Singen fertig, flog mir seitwärts ein Holzapfel wider die Nase; schnell dreh ich den Kopf um und sag: Ei! – – da stand euch die Nymphe Persina in ihrer Quelle und lachte; setzte dann ihren Fuß aufs Blumenbord; lachte wieder und rief: ›Mopsus! dein Lied hat mich gar sehr gerühret.‹ – – Aha! dacht ich, hab ich einmal das rechte Fleckchen troffen? spring flink auf; lauf hinzu und will sie haschen; aber, wutsch ist sie mir die Finger durch, steht oben auf dem Felsen, aus dem ihr Wasser springt – – ruft: ›Herauf! Mopsus! du Fauler!‹ Ich ließ mich das nicht zweimal heißen, klettert wie ein Blitz hinauf; aber kaum bin ich droben, wutsch ist sie wieder unten in ihrer Quelle, und winkt mir herab. Ich hinunter. Aber was soll ich lang sagen – So trieb sie's bis zwanzigmal, daß sie mich auf- und abspringen machte. Ihr mögt's leicht denken, so artig auch das Spiel war, verdroß mich's doch zuletzt. ›Ei!‹ rief ich, ›Nymphchen! du bist nun drunten, ich oben; warum bleibstu nicht? Oder wenn dir's drum ist, komm zu mir herauf!‹ – – ›Ei, komm doch‹, rief sie, und ließ sich die Länge nach ins Wasser plumsen:[1379] ›Komm doch. Möpselchen, mein Böckchen! Geh! spring herunter auf meinen Rücken, wenn du 's Herz hast! – Sieh, will dir so liegen bleiben!‹ – Und indem sie mir so zurief, hebt sie ihren milchweißen runden Rücken aus dem Wasser hervor und watschelt euch mit ihrem lieben Hinterchen so artlich herum, daß mir's ganz fromm ums Herz lief und mir die Seele im Leib herumtanzte, wie eine Goldmücke. – – Wie der Blitz werf ich mein Mantel hin, spei in die Hände und tu einen gewaltigen Satz. – – Aber, o die verfluchte Hexe! die mich so gewaltig verblendet! – – Statt auf ihren milchweißen zarten Rücken zu fallen, liebe Brüder, wohin ich so meisterlich gezielt, fall ich über Hals und Kopf in einen stachlichten Brombeerstrauch, so tief, daß sich über mir der gestirnte Himmel verschloß. – O mir Armen! da stand euch noch die verfluchte Zauberin – – – daß sie die Pestilenz! – – daß sie im Orkus, noch davor gepeiniget werde! denn mein Treu, ich liebe sie jetzt gar nicht mehr – stand euch noch, ruft höhnend, indes ich mit tausend Schmerzen in ein so stachelicht Netz verwickelt lieg: – ›Zu mir in Busch herein! – Komm doch, Möpselchen! will dir einen Schmatz geben, hast gar meisterlich gesungen!‹ ›Ei! daß du im Styx lägst du abscheuliche Brut! – – – hätt ich dich nur! – – –‹ rief ich halb rasend, und langte mit der Hand nach ihr – – – Aber sie sprang lustig davon, ohne sich mein nur zu erbarmen. Und ich wäre gewiß vor Kummer und Elend verschmachtet, hättet ihr liebe Brüder! euch nicht mein treulich erbarmet und mich herausgezogen.

Aber will sie nun fahrenlassen. – – Fahre hin, du stolzes Herz! – – Hört ihr's? – – Jetzt soll mir jeder von euch schimpfliche Lieder auf diese höllische Nymphe machen. – – All will ich sie dann auswendig lernen, und sie abends und morgens und den ganzen Tag – – auf jenen Felsen dort, ihrer Grotte gegenüber, absingen, und schimpfen, und schmähen, und schreien, daß es das ganze Tal hört.«

Quelle:
Sturm und Drang. Band 2, München 1971, S. 1373-1380.
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