Hymne

[50] Herr! es verkündigt dich der Wandelsterne Gang,

Durch alle Himmel tönt seraphischer Gesang,

Die ganze Schöpfung schwebt in ewgen Harmonieen,

So weit sich Welten drehn und Sonnenheere glühen!


Dein Tempel, die Natur, ist deiner Herrlichkeit

Und deiner Güte voll! des Frühlings Blumenkleid,

Des Sommers Aehrenmeer, des Herbstes Traubenhügel,

Des Winters Silberhöh'n sind deiner Allmacht Spiegel!


Was bin ich, Herr, vor dir? Seit gestern leb' ich kaum,

Und doch trennt von der Gruft mich nur ein kleiner Raum;

Nur Traum und Dämmrung bleibt im Erdenthal mein Wissen,

Mein Leben fleucht dahin umringt von Finsternissen!
[50]

O du, den oft zu Gott der Andacht Flügel trug,

Empor, empor, mein Geist, mit kühnem Adlerflug!

Die Ewigkeit ist dein, zum lichten Engelleben,

O sing ihm ewig Dank! wird dich der Herr erheben!


Drum weih' ich dir allein, o Gott, der Harfe Klang!

Dich preise früh und spät mein betender Gesang,

Bis dies Gewand von Staub des Todes Hand zertrümmert,

Und dir, o Quell des Lichts, mein Geist entgegenschimmert!

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 50-51.
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