Die höchste Weihe

[239] Wer, als Melpomen' ihn weihte,

Heilig ihr Veredlung schwur,

Selbstgefühl der Götter leite

Den durch Wüst' und Blumenflur.


Mild und segnend, gleich Auroren,

Wann der Lenz der Erde naht,

Wallt die freundlichste der Horen

Treu mit ihm des Daseyns Pfad.


Wo Vernunft und Hochsinn wohnen

Glüht sein Herz von Sympathie;

Rein erklingt in allen Zonen

Ihm des Weltalls Harmonie.


Ihn entzückt der Meere Spiegel

Und die Silberperl' am Kraut,

Die Viol' am Todtenhügel

Und die Ros' im Kranz der Braut.
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Ihm erhebt der Katarakten

Donnersturz den trunknen Geist;

Ihm das Bächlein so vom nackten

Klippenabhang niederfleußt.


Er vernimmt der Hofnung Wehen

Hoch vom lichten Sternenraum,

Hebt, wo Blumen auferstehen,

Ihres Schleiers goldnen Saum.


Trinkt auf hoher Alpenweide

Mit dem Adler Himmelsglanz,

Windet auf beschneiter Haide

Dunkles Immergrün zum Kranz;


Sieht um Platons Kelch die Rosen

Heitrer Weisheit wieder glühn,

Roms Ruinen sich entmoosen

Und Athens Gefilde blühn.


Beßrer Zukunft Bilder schweben

Wo Gewölk ihn trüb' umzieht,

Und, harmonisch wie sein Leben,

Tönt im Volk sein hehres Lied.


Stät, wie Vestas Flamme lodert,

Troz der Erdenstürme Wuth,

Bis die schwarze Bark' ihn fodert,

Seines Geistes reine Gluth.

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 239-240.
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