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[102] O könnt' ich euch, ihr kleinen Lieder,
Doch jeder guten Seele weih'n!
Ihr seyd so sanft, so wahr, so rein,
Und hallt mir tief im Herzen wieder
Wie Flötenton im Hain!
Der Sprache feingewebter Schleier
Umwallt wie leichter Duft euch nur
Verräth auch die geheimste Spur
Von heiliger Empfindung Feuer,
Von Einfalt und Natur.
Euch schuf ein Genius der Trauer,
Die, wenn des Lebens Schwüle drückt,
Ins Land der Ruh' hinüberblickt,
Und selbst mit froher Ahndung Schauer
Von Gräbern Blumen pflückt.
Seit ihr, wie Abendglanz, o Lieder!
Der Seele Dunkel mir erhellt,
(Des Dankes stille Thräne fällt
Mir hier vom Auge) glaub' ich wieder
An eine Unschuldswelt.
Um diese schöne Welt zu finden
Muß man, eh' Lenz und Sommer fliehn,
Mit Blumen, die der Unschuld blühn
Der Grazien Altar umwinden,
Wie eure Sängerin.