Der Frühlingsabend

[94] Beglänzt vom rothen Schein des Himmels bebt

Am zarten Halm der Thau,

Der Frühlingslandschaft zitternd Bildniß schwebt

Hell in des Stromes Blau.
[94]

Schön ist der Wiese Grün, des Thals Gesträuch,

Des Hügels Blumenkleid,

Der Erlengang, der schilfumkränzte Teich

Mit Blüthen überschneit;


Schön ist der Quell, der Hain, der Abendstern,

Der Baum der Kühlung thaut,

Und alles was mein Auge, nah' und fern,

Dankweinend überschaut!


Ja es umschlingt und hält der Wesen Heer

Der ew'gen Liebe Band!

Den Lichtwurm und der Sonne Feuermeer

Schuff Eine Vaterhand.


Du winkst, Allmächtiger, wenn hier dem Baum

Ein Blüthenblatt entweht;

Du winkst, wenn dort, im ungemeßnen Raum,

Ein Sonnenball vergeht!

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 94-95.
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