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[97] An Gotthardt Grafen von Mannteuffell.
Wie der Schimmer des Mondes
Durch die Schatten der Haine blinkt,
Auf umnachteter Woge leuchtet:
Also glänzt, mit Sternenklarheit,
Durch der Wehmuth Nebelschleier,
Durch des Kummers Nacht dein Lächeln,
Freundin der Engel und Menschen, o Hofnung!
Wie der steigenden Sonne
Die purpurne Frühe voranfleugt:
Also fleugst du, auf stralenden Flügeln,
Dem Tage des Lohns am errungenen Ziele,
Dem Tage der ewigen Wonne voran,
Trösterin aller Verlaßnen, o Hofnung!
Wie dem Kuße der Lenzluft
Sich die Blume des Thals enthüllt,
Sich die Knospe des Hains entfaltet:
Also schleußt dir meine Seele sich auf,
Freundliche Tochter des Himmels, o Hofnung![97]
Wann du mit holdem Engelgruß,
Auf öden Felsenpfaden mir erscheinst:
O dann vergoldet sich des Lebens Horizont
Mit mildem Glanz aus bessern Welten;
O dann schweben, heilverkündend,
Lächelnde Ahndungsgestalten,
Gleich der Flammensäule des erwählten Volks,
In lichten Schaaren vor mir her und streuen
Leitende Schimmer auf meine Bahn.
O Hofnung! Hofnung! tröstend wie Frühlingshauch
Nach Winterstürmen! freundlich wie Morgenroth!
Entzückend wie die Sommermondnacht!
Lieblich wie auf Mädchenwangen
Des ersten Kußes keusche Röthe:
Wenn alles um mich her verblüht und stirbt,
Wenn alles fällt und sinkt und untergeht:
O Hofnung! Hofnung! dann verlaß mich nicht!
Umströme ganz mit hoher Himmelsahndung,
Mit Vorempfindung der Unsterblichkeit,
Mit Freuden Gottes mir die müde Seele,
Und hebe des Verlaßnen Geist empor
Zu lichten Höh'n und zeig in heil'ger Ferne
Ihm seiner Wallfahrt palmumkränztes Ziel,
Wo an des Urlichts unerschaffnem Quell
Das Halleluja der Vollendung tönt;
Ach! wo die bessern, gleichgeschaffnen Seelen[98]
Des Wiederfindens unaussprechliches Entzücken,
Des ewigen Vereinens sanftre Wonne
In Strömen trinken, unter Engelchören
Dem Thron des Allvollkommnen näher wallen,
Mit süsser Sehnsucht ihrer Zukunft Loos
Im Seraph ahnden und es ganz empfinden,
Daß Lieb' auf Erden trübe Dämmrung nur,
Daß Lieb' im Himmel Sonnenaufgang ist!
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»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«
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