Dritter Auftritt


[116] Die Vorigen.

Der Scheik der Todeskarawane, der sich leise und langsam genähert hat und nun hinter ihr steht.


SCHEIK DER TODESKARAWANE heiter.

Das Schreckenskind! Sieht es von Weitem schon!

SCHĒFAKĀ fährt zusammen, sieht sich um, weicht zurück.

Allāh, Allāh! Die Todeskarawane!

Ich bin belauscht! Ich muß mich wieder setzen!


Flüchtet sich nach dem Sitze ihres Vaters, auf den sie halb sich fallen läßt und halb wirklich fällt, weil er so niedrig ist. Hierüber erschrocken, schreit sie auf.


Das ist sehr tief!

SCHEIK DER TODESKARAWANE.

Wie es der Seele ziemt!

SCHĒFAKĀ will ihn widerlegen.

Sie ist doch Königin!

SCHEIK DER TODESKARAWANE.

O nein!

SCHĒFAKĀ.

Was sonst!

SCHEIK DER TODESKARAWANE.

Sie ist die niedrigste der Dienerinnen,

Die niedrigste, die ich mir denken kann,[116]

Doch an der Seite dessen, der sie führt,

Steigt sie empor zum höchsten aller Throne.

SCHĒFAKĀ.

Und der sie führt?

SCHEIK DER TODESKARAWANE.

Das ist der Geist.

SCHĒFAKĀ schnell.

Der Scheik!

SCHEIK DER TODESKARAWANE ohne diese ihre Meinung zu beachten.

Doch dient auch er.

SCHĒFAKĀ.

Ich denke, er beherrscht?

SCHEIK DER TODESKARAWANE.

Nur sich allein, als höchster aller Fürsten.

Doch aber, wenn er in die Tiefe steigt,

Um die verlorne Seele heimzuführen,

Dann wird er Knecht, der niedrigste der Knechte,

Und wenn ihn nicht die Gnade Gottes hält,

Ist er verloren – – – unten – – – wie die Seele!

SCHĒFAKĀ springt auf, ist ernst geworden.

»Und wenn ihn nicht – – – die Gnade Gottes hält,

Ist er verloren – – – unten – – – wie die Seele!«

Wie klingt mir das! Mir graust vor diesem Worte!

Wozu dann dieser kalte, schwere Schmuck?

Wenn ich nur dienen soll, so ist er Lüge!

SCHEIK DER TODESKARAWANE.

So wirf ihn ab, und mach dich frei von ihm![117]

SCHĒFAKĀ langsamen Schrittes rückwärts gehend, sieht ihn mit großen Augen an.

Ich leg ihn ab – – – ich leg ihn wirklich ab – – –

Ich traue dir!

PHANTASIE.

Das sollst du auch, mein Kind!

BIBEL steht von ihrem Sitze auf, zu Schēfakā.

Gib her den Schmuck, das Kleid, die ganze Lüge!

Komm in den Turm, damit ich dich befreie

Und deine Last auf meine Schultern nehme,

Für kurze Zeit – – –


Zur Phantasie.


wenn du erlaubst!

PHANTASIE.

Du darfst!


Die Bibel nimmt Schēfakā bei der Hand und verschwindet mit ihr in der Frauenabteilung des Zeltes.[118]


Quelle:
Babel und Bibel. Arabische Fantasia in zwei Akten von Karl May. Freiburg i.Br. 1906, S. 116-119.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Babel und Bibel
Babel und Bibel: Arabische Fantasia in zwei Akten

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