Agathon

[308] Nur von ferne muß ich stehn,

Stutzer sie umflattern sehn,

Schmeicheleien ihr zu Ehren

Überall erschallen hören.

Nur von ihrem Agathon

Hört sie keines Lobes Ton.


Auf mein glühendes Gesicht

Sieht ihr mildes Auge nicht.

Meine Blicke starren nieder,

Schauer bebt durch alle Glieder.

Ach, von ferne muß ich stehn

Und den holden Engel sehn.


Aber stünd' ich auch vor ihr,

Himmel, ach, was hülf' es mir!

Bebend würd' ich sie betrachten,

Seufzer unterdrücken, schmachten;

Aber nie mein Leid gestehn

Und um Gegenliebe flehn.


Wenn nicht bald ihr Engel sie

Mir gewinnt, dann sieg' ich nie.

Wie die Blum' in öden Gründen

Werd' ich aus der Welt verschwinden;

Keine Seele kümmert sich,

Und kein Auge weint um mich.


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 308-309.
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