Damon an den Mond

[135] 1771.


Diana komm! Dein Bruder scheidet

Von unsrer Flur,

Und in verschwiegne Dämmrung kleidet

Sich die Natur.


O komm! Dann eilt zum weißen Hügel,

In schnellem Lauf,

Mein Mädchen, auf der Liebe Flügel,

Zu mir herauf.


Ha Wonne! Hinter jenem Thale

Beim fremden Meer,

Wallst du, beglänzt vom letzten Strahle

Des Bruders her:


Und hüllst dich nach und nach bescheiden

In Silber ein;

Erleuchtest Hügel, Thal und Weiden,

Gebüsch und Hain.


O Göttin, eil' mit schnellem Schritte

Am Himmel fort,

Streu' Silber auf Dorindens Hütte;

Sie wartet dort,


Und eilt, sobald sie dich erblicken

Im Grunde kann,

Mich an ihr zärtlich Herz zu drücken,

Den Berg heran.[136]


Doch aber, Luna! warum fliehest

Du schnell zurück?

Eilst hinter Wolken, und entziehest

Dich meinem Blick?


Wie meine Doris, wenn sie fliehet,

Und ihren Blick

Das Sommerhütchen mir entziehet.

O komm zurück,


Und leucht' ihr! – Ah sie kömmt! Entrücket

Sich dein Gesicht

Aus Mißgunst? O, für Götter schicket

Sich Mißgunst nicht!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 135-137.
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