Frühlingsvorgefühl

[313] Bald ist die Winternacht dahin,

Die kalten Nebelwolken fliehn,

Und heller lacht die Sonne.[313]

Bald weckt der Lenz in Hain und Flur

Die starre, schlummernde Natur

Zu langentbehrter Wonne.


Schon schmilzt der lockre Flockenschnee,

Bald werden Blumen, Gras und Klee

Dem Schoß der Erd' entsprießen;

Bald wird der Lerche süßer Schall

Und der Gesang der Nachtigall

Uns Harrende begrüßen.


Dann eilen wir hinaus ins Feld,

Und freuen uns der schönen Welt

Im Frühlingsschmucke wieder,

Und laben uns in warmer Luft,

Und atmen zarten Blütenduft,

Und singen Freudenlieder.


Dann öffnet neuer Lebenslust

Sich traulich auch des Dulders Brust,

Von Sorg und Gram umfangen:

Denn manche Hoffnung, die verblich,

Erneuert mit den Blumen sich,

Die in den Gärten prangen.


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 313-314.
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