Hannchen an Wilhelm

[226] 1773.


Ach trüb ist mir's, im Herzen trüb!

Ich möchte nur erblassen!

Mein Wilhelm, der mir war so lieb,

Dem ich so treu ergeben blieb,

Hat treulos mich verlassen.


Ha, falscher Wilhelm! spottest mein

In deines Liebchens Armen!

Ach, spottest meiner herben Pein!

Doch wisse nur, Gott wird sich mein

Am jüngsten Tag erbarmen.


Sag an, was konnte deinen Mut,

Was konnt' ihn so berücken?

Ach, warest sonst so fromm und gut!

Kein Äderchen von falschem Blut

War an dir zu erblicken.[226]


Denk, wie du mir mit hohem Schwur

Die Ehe hast versprochen!

Ach armer Wilhelm, denke nur,

Gott läßt ja keinen falschen Schwur

Auf Erden ungerochen!


Eil nur in deinem falschen Sinn,

Und spotte meiner Klagen!

Eil nur zum Brautaltare hin!

Eh' du die Trauung wirst vollziehn,

Wird man ins Grab mich tragen.


Ach, Wilhelm, Wilhelm, denke dran!

Du wirst es noch beweinen!

Du bist ein ehrvergeßner Mann!

Ach Wilhelm, Wilhelm, denke dran!

Mein Geist wird dir erscheinen!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 226-227.
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