Lobgesang eines Mädchens

[227] Am Klavier.


1773.


Erschallt in hohem Jubelklang,

Ihr meines Spieles Saiten!

Um himmelan den warmen Dank

Des Herzens zu begleiten!


Denn meine Seele hat den Freund,

Den sie in stillen Stunden

Vom Himmel oft herabgeweint,

In Agathon gefunden.


O laß mich, Gott, so betet' ich,

In meiner Wahl nicht fehlen!

Laß nicht nach Eigendünkel mich

Und äußerm Scheine wählen![227]


Erkiese selber mir den Mann,

Der, ganz für mich geboren,

Niemals dem Laster unterthan,

Sich Tugend nur erkoren!


Ich sah ihn! – Nicht durch Buhlerscherz

Und schmeichlerische Mienen,

Durch Tugend sucht' er nur mein Herz,

Und Thaten zu verdienen.


Die ganze Seel' im Auge goß

Der meinen sich entgegen;

Und eine sanfte Thräne floß,

Mich schweigend zu bewegen.


O, darum schall empor, mein Dank,

Zu Gott, der ihn mir schenkte!

Zu Gott empor, mein Lobgesang,

Der meine Seele lenkte!


Und ewig müss' in Dankgefühl

Sich unser Herz ergießen!

Und sanft, wie dieses Saitenspiel,

Das Leben uns verfließen!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 227-228.
Lizenz:
Kategorien: