Ne quid nimis!

[133] (Zur Psychologie der Stoa)


Machtlos sein

in seinem Zorn,

seiner Verzweiflung!

Nicht wissen wohin!

Auf und ab stampfen

in seinem engen Gemach, –

durch die Straßen

laufen, fahren, –

vergessen –

unmöglich!

Überall

diese Unrast,

dieser Ekel,

dieser Haß,

diese Verachtung!

Und schonen müssen,

was man zerschlagen will,

zertreten,

zertrümmern will,

alles in sich hinein

schlucken müssen,

würgen müssen,

fast ersticken

an seiner Unlust,

nicht einmal schreien dürfen

wie ein Tier,[134]

nur stöhnen,

seufzen,

schelten,

knurren dürfen!

So wirst du krank,

Seele,

müd, matt,

vergiftet, –

ein Licht,

das, niedergehalten,

gierig

die eigene Kerze

verzehrt.

Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 3, Basel 1971–1973, S. 133-135.
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