Vierte Szene

[90] 1.2.3.4.

Walburga,Edmund,Schlankel,Hutzibutz,

Nanettespäterdanndann Marie

AgnesHerr vonund Isabella,

Schmerz,dann Herr von

dannGlück,

Herr vondann Herr von

GlückSchmerz,

dann Schlankel


Sanguinisch.


HUTZIBUTZ zur Mitte eintretend, allein. Der Haustyrann ist fort, vielleicht ergibt sich jetzt eine Gelegenheitszusammentreffung. Ich muß der Bella einige ernste Worte – sie hat eine reine Seele, die Bella, aber es[90] legt sich der Staub der Eitelkeit drein, und das bringt Gefahr für die Treue.


Melancholisch.


SCHLANKEL. Wo die Bräutigams bleiben, ist mir unbegreiflich!


Sanguinisch.


MARIE zu Isabella, indem sie mit ihr zur Mitteltüre eintritt. Da muß man sich gar nix draus machen.

HUTZIBUTZ. Bella –

ISABELLA. Laß mich gehn, ich hab' jetzt mit dem Fräulein Marie zu reden! Mit Marie in die Seitentüre ab.


Melancholisch.


SCHMERZ in Reisekleidung, traurig, durch die Mitte. Wohnt hier Herr von Trüb?

SCHLANKEL für sich. Aha! Laut. Nein, hier wohnt Herr von Froh.


Sanguinisch.


GLÜCK in Reisekleidung, sehr heiter, durch die Mitte. Wohnt hier Herr von Froh?

HUTZIBUTZ beiseite. Aha, meine Aufgabe beginnt! Laut. Nein, hier wohnt Herr von Trüb.

GLÜCK. Bravo, gleich fehlgeschossen beim Eintritt ins Haus!


Melancholisch.


SCHLANKEL. Ich habe doch die Ehre, den Herrn von Schmerz –

SCHMERZ. Ja!


Sanguinisch.


HUTZIBUTZ. Sie sind doch der Herr von Glück?

GLÜCK. Ja!


Melancholisch.


SCHLANKEL. Der Herr von Trüb logiert grad da darneben die Tür.

SCHMERZ. So, so – ich danke, mein Freund! Zur Mitte ab.


[91] Sanguinisch.


HUTZIBUTZ. Der Herr von Froh logiert grad da darneben die Tür.

GLÜCK. So? Hahaha! Das wäre ein Spaß gewesen, wenn ich zum Unrechten gekommen wäre! Lachend zur Mitte ab.


Phlegmatisch.


AGNES zur Mitte eintretend. Ach, Edmund, ich sag' dir's, ich kann mich noch nicht erholen von der Historie.

EDMUND. Laß mich jetzt nur ruhig überlegen!


Sanguinisch.


HUTZIBUTZ allein. Den hab' ich aber schön ang'führt! Ich bin doch einer von den intrigantesten Köpfen des Jahrhunderts.


Melancholisch.


SCHLANKEL allein. Mit dem wär's gegangen! Ich fürcht' nur, der Hutzibutz macht mir eine Dalkerei, denn dem sein Verstand taucht gar niemals über das Niveau seiner immensen Dummheit empor.

GLÜCK zur Mitte eintretend, für sich. Wenn ich ihn nur recht überraschen könnte!


Sanguinisch.


SCHMERZ zur Mitte eintretend. Herr von Trüb zu Hause?

HUTZIBUTZ für sich. Trüb? Aha, das ist schon ein Angeschmierter! Laut. Er ist ausgegangen.


Melancholisch.


GLÜCK zu Schlankel. Ist er in dem Zimmer drinnen?

SCHLANKEL. Wer?

GLÜCK. Mein Freund Froh.

SCHLANKEL für sich. Froh? Laut. Er ist gegenwärtig nicht zu Hause, aber die Fräul'n Tochter – Zeigt nach der Seitentüre.[92]

GLÜCK. Um so besser, so überraschen wir die, die ist ja eigentlich der Hauptzweck, diese Tochter! Eilt, verschmitzt lachend, auf den Zehen in die Seitentüre ab.


Sanguinisch.


HUTZIBUTZ. Ist es gefällig, zur gnädigen Fräulein zu spazieren?

SCHMERZ mit tiefer Bedeutung. Gnädiges Fräulein – wird sie auch mir gnädig sein? Seufzt und geht in die Seitentüre ab.


Melancholisch.


SCHLANKEL. Sollte das wirklich schon ein Werk des Hutzibutz – ah, da muß ich nachschaun. Eilt zur Mitte ab.


Sanguinisch.


HUTZIBUTZ. Jetzt weiß ich nicht, hab' ich's recht g'macht oder nicht?


Phlegmatisch.


AGNES. Und mich greift alles so stark an!

EDMUND. Leb' wohl, Schwester! Zur Mitte ab.

AGNES. Adieu! Zur Seite ab.


Sanguinisch.


SCHLANKEL tritt zur Mitte ein. Hast du mir den hinüberg'schickt?

HUTZIBUTZ. Ja! Und du mir den herüber?

SCHLANKEL. Ja!

HUTZIBUTZ. Es geht prächtig!

SCHLANKEL. Siehst, was ein gescheiter Plan macht?

HUTZIBUTZ. Na ja, aber das wirst mir doch erlauben, daß deine G'scheitheit nicht alles allein macht, daß der Zufall jetzt auch ein Trinkgeld verdient?

SCHLANKEL. Das ist ganz in der Ordnung; wenn der Zufall nicht wär', wie viel gelinget denn in der Welt?[93] Der Zufall ist die Muttermilch, an der sich jeder Plan vollsaugen muß, wenn er zum kräftigen Erfolg heranreifen soll. Das verstehst du nicht. Jetzt geh vor allem andern hinauf zum Cyprian vom Herrn von Fad und schau', ob ihm zu trauen is. Ich werd' mich mit der Brausischen Nanett' ins Einvernehmen setzen.

HUTZIBUTZ. Mit der Nanett'?

SCHLANKEL den Finger auf den Mund. Pst! Jetzt komm! Zur Mitte ab.

HUTZIBUTZ. Und der wagt es, die Augen zu meiner Bella zu erheben? Na, wart', Schlankel! Droht hinter seinem Rücken mit der Faust und folgt ihm.


Cholerisch.

Walburga und Nanette treten zur Mitte ein.


WALBURGA über die Bühne gehend. Der Papa hat also nicht gefragt um mich, wie er fortgegangen ist?

NANETTE. Nein, er is mit die andern Herrn –

WALBURGA. Gut, gut! Zur Seite ab.

NANETTE will zur Mitte ab, Schlankel begegnet ihr.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 90-94.
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