Neunter Auftritt

[60] Zwirn. Gleich darauf Reserl.


ZWIRN aus der Seitentüre links. Der Leim gibt mir nichts als lauter gute Lehren – gute Lehren hab' ich in der Schul schon kriegt, wenn ich s' hätt' befolgen wollen.

RESERL aus der Seitentüre rechts, und will zur Mitte hinaus. Gleich den Augenblick. – Für sich. Das ist doch ein beständiges Befehlen in dem Haus.

ZWIRN hält sie auf. Dageblieben, liebenswürdiger Dienstbot!

RESERL. Ah gehen S', Ihnen ist auch nicht zu trau'n.

ZWIRN. Was fallt dir ein! Die Treu von ein Schneider halt fester als eine doppelte Naht.

RESERL kokett. Ja, wenn ich mich drauf verlassen könnt'!

ZWIRN. Ein Mann, ein Wort – schlag ein!


Hält die Hand hin.


RESERL einschlagend. Na, meinetwegen.

ZWIRN. Jetzt sein wir in Ordnung bis aufs Durchgehn. – Ich muß dir aufrichtig sagen, mich hätt's ohnehin nicht lang gelitten in dem Haus.

RESERL. Nicht wahr, das is ein fades Leben da?

ZWIRN. Da tun s' nix als arbeiten, essen, trinken und schlafen – is das eine Ordnung? – Da wird nicht angeign't, nicht aufg'haut, nicht Zither g'schlag'n.

RESERL. O ich kenn' das – ich war ja selbst einige Jahr Kellnerin.[60]

ZWIRN entzückt. Kellnerin warst du? – Jetzt hab' ich dich nochmal so lieb, jetzt sein unsre Herzen zusammg'naht, kein Teufel trennt sie mehr auf. – Morgen fruh, wenn Du's Obers holst, paschen wir ab miteinander.

RESERL. Warum denn abpaschen? Sie können's ja Ihrem Freund, dem Herrn Leim sagen, daß Sie mich mitnehmen.

ZWIRN. Das mag ich nicht. Laß mir diese Grille, ich will dich entführen.

RESERL. Hören S' auf, Sie sein doch ein rechter Vokativus.


Ab zur Mitte.


ZWIRN. Jetzt geh' ich gleich hinein zum Leim, und sag' ihm, daß ich nicht dableib' – Ah, da ist er selbst.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 60-61.
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