Siebenzehnter Auftritt

[462] Kellner, die Vorigen, dann Melchior.


KELLNER Fasan und Rheinwein bringend. Wenn es Ew. Gnaden gefällig ist. Stellt alles auf den Tisch.

FRAU VON FISCHER. O ja – Zu Madame Knorr. Komm, liebe Freundin! –

WEINBERL zum Kellner. Sie können jetzt auch einen wällischen Salat bringen.[462]

CHRISTOPH. Überhaupt, was gut und teuer ist –

WEINBERL. Uns is das egal was es kost, Sie wer'n sehn, wir binden uns an gar keinen Preis. Für sich. Wart's, Gourmanninen! –

KELLNER. Sehr wohl, Ew. Gnaden. Geht ab.


Melchior tritt mit dem zweiten Kellner, welcher ein Gedeck trägt, ein.


MELCHIOR. Was is denn das? Ich will da für mein Herrn aufdecken lassen, und jetzt setzen sich andere herein –

WEINBERL. Ich glaub', an einem öffentlichen Ort hat jeder das Recht. –

MELCHIOR. Ah, das is indiskret.

ZWEITER KELLNER. In dem Salon haben ja 20 Personen Platz.

MELCHIOR. Mein Herr will aber allein sein.

CHRISTOPH. Dann soll er an keinen öffentlichen Ort gehen.

MELCHIOR. Ah, das is indiskret. – Sie können sich ja hinaus in Garten setzen.

FRAU VON FISCHER. Das kann Sein Herr auch tun. –

MELCHIOR. Mein Herr muß von hier aus jemand beobachten und mit einem Wort, mein Herr wird sich nicht wegen Ihnen vieren genieren.

WEINBERL. Und wir viere wer'n uns noch weniger wegen Sein Herrn genieren.

MELCHIOR. Ah, das is aber indiskret, da muß mein Herr sitzen, wegen der Aussicht auf die Tür. –


Rückt den Tisch, welchen der Kellner deckte, von links gegen die Mitte, ziemlich nahe an den Tisch der Gesellschaft.


MADAME KNORR. Das gilt uns gleich.

MELCHIOR. Wenn der dumme Salon nur in der Mitte einer Abteilung hätt' –

WEINBERL. Na ja, Sein Herr soll halt gleich eine Mauer aufführen lassen, wenn er wo einkehrt.

ZWEITER KELLNER. Man könnte allenfalls – es zieht manchmal den Gästen zu stark, da wird dann Auf die zwischen Fenster und Tür lehnende zusammengelegte spanische Wand zeigend. – die spanische Wand gebraucht, wenn man die in der Mitte aufstellt, so wäre ja die gewünschte Absonderung geschehen.[463]

FRAU VON FISCHER. Machen Sie das wie Sie wollen. Zu Madame Knorr. Legen wir unsre Hüte ab und setzen wir uns. Geht mit Madame Knorr zu einem Stuhle rechts, wo sie während dem Folgenden ihre Hüte ablegen.

CHRISTOPH zu Weinberl. Das sieht kurios aus, das können wir uns vor den Frauen nicht antun lassen.

WEINBERL zu Melchior, welcher die spanische Wand aufstellen will. Wenn Er mit der spanischen Wand nicht weitergeht, so so werf' ich Ihn an die wirkliche! –

MELCHIOR. Ah, das is klassisch –

WEINBERL. Wir werden uns da wie die wilden Tiere in einer Menagerie absperren lassen.

MELCHIOR. Na warten S', das sag' ich mein Herrn.

CHRISTOPH. Was kümmert uns Sein Herr?

WEINBERL. Er soll nur kommen, wir werden ihm zeigen –

MELCHIOR. Da kommt er grad die Allee herauf. Drohend zu Weinberl und Christoph. Warten S'!

WEINBERL hinsehend und heftig erschreckend. Kontinent tu dich auf! –

CHRISTOPH der ebenfalls hingesehen. Auweh! und verschling uns! –

WEINBERL UND CHRISTOPH zugleich. Der Prinzipal!

WEINBERL zu Melchior. Lieber Freund, Sie haben erst recht mit der spanischen Wand –

CHRISTOPH. Ja 's is besser, stell'n wir s' auf.

WEINBERL. Aber nur g'schwind, Kellner, helfen S'!


Der Kellner, Christoph, Weinberl und Melchior stellen mit vieler Eile, wobei einer dem andern hinderlich ist, die Wand auf.


MELCHIOR. Jetzt sehen Sie's ein und eher so G'schichten – Nein, wie Sie indiskret sein!

MADAME KNORR zu Frau von Fischer. Aber schau nur her, was sie da für Umständ machen.

WEINBERL zu den Frauen. Es ist, wissen Sie – es zieht hier so stark nach der Luft –

FRAU VON FISCHER. Ich spüre nichts.

MADAME KNORR. Wir sind ja nicht rheumatisch. –

WEINBERL zu Christoph. Aber uns reißt's ungeheuer.[464]

CHRISTOPH. Setzen wir uns.


Alle 4 setzen sich zum Tisch, die spanische Wand ist aufgestellt und teilt die Bühne in der Mitte ab. Der Tisch der Gesellschaft und der für Zangler bestimmte Tisch sind sich ziemlich nahe und nur durch die Wand getrennt.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 462-465.
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