Das siebende Lied

[266] Wie schöne Füß' und auch wie schöne Schuh

Sind deine doch, du Fürstentochter du!

Wie Spangen stehn beysammen deine Lenden,

Sehr wol gemacht von guten Meisterhänden.


Dein Nabel wie ein runder Becher steht,

Dem niemals Tranck und süsser Wein abgeht;

Der Bauch gleicht sich dem Weitzenhauffen eben,

Der rings umbher mit Rosen ist umbgeben.


Gleich wie man sicht zwey junge Rehe sich

Mit geilem Spiel' ergetzen lustiglich

Und frölich sein an einer grünen Wüste,

So stehn dir auch die rund erhabnen Brüste.


Dein weisser Hals giebt von sich solchen Schein,

Als wie ein Thurn gemacht auß Helffenbein.

Die Wangen sind wie Hesbons schöne Teiche

Am Bathrabs Thor' in Armons seinem Reiche.


Die Nas' ist dir wie Libans Thurn erhöht

Hier wo der Weg hin nach Damaseus geht:

Das Haupt sieht auß wie Karmel an dem Strande

Der Mittelsee im palestiner Lande.


Das edle Haar mit dem du, Liebste, blühst,

Hat einen Glantz wie Königs Purpur ist.

Du hast doch nichts, als lauter solche Gaben

Die manch' ihr wündscht und du kanst einig haben.


Was ist es nun, das dir an Lenge gleicht?

Ein Palmenbaum, der keiner Last nicht weicht.

Die Brüste stehn wie Trauben, die noch reiffen

Und harte sind zum ersten anzugreiffen.


Was geb' ich doch dem Säumen weiter Raum,

Und steige nicht auff meinen Palmenbaum?

Laß deine Brüst' als junge Trauben stehen,

Der Nasen Ruch für schmeckend' Oepffel gehen.


Dein zarter Schlund sey wie ein süsser Wein,

Der uns erquickt und schläfft die Sinnen ein

Und machet, daß dein Buhle Sachen saget,

Wie einer, der im Traume nach was fraget.


[267] Die Sulamithinn.


Ich bleib' und bin deß Liebsten für und für,

Dann seine Lust beruhet gantz auff mir.

Komm, Hertze, komm, laß uns zu Felde bleiben

In feister Ruh' und da die Zeit vertreiben.


Wir lassen nur der Statt nicht rechten Schein,

Ihr eitels Thun und falsche Freude sein,

Wir wolln mit dir, o Morgenröth', auffstehen

Und frölich hin in unsern Weinberg gehen.


Wir wollen sehn, ob nicht der Stock schier blüht,

Und ob er nicht mit neuen Augen sieht;

Ob dieses Jahr wird Granatöpffel tragen,

Ob ihre Haut beginnet außzuschlagen.


Alsdann will ich dir reichen meine Brust,

Und einen Kuß; will alle Feldeslust

Dich lassen sehn, dir alle Früchte geben

So ich für dich pfleg' heilig auffzuheben.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 266-268.
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