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[71] Apollo. Dafne.
Apollo.
Bleib, Nymfe, bleib; ich bin dein Feind ja nicht,
Daß du so lauffst, mein Liecht,
Als wann ein armes Schaff vom Wolffe wird getrieben.
Mein Folgen kömpt vom Lieben.
Ach, ach, daß für die grosse Brunst
Kein Kraut wächst auff der Erden!
Was hilfft mich jetzo meine Kunst,
Durch welche sunst
Ein Jeder heil kan werden.
Dafne.
O Vatter Peneus, nim mich an,
Dein unbeflecktes Kind. O Vatter, hilff doch mir,
Im Fall ein Fluß auch helffen kan.
Bedeck, o Erde, mich, nim zu dir meine Zier,
Verschling sie, oder laß sich meinen Leib verkehren
In etwas, welches mich kan der Gewalt erwehren.
Apollo.
Soll dann, ihr harten Rinden,
Die unbefleckte Zier,
So Hertz und Sinn mir kundte binden,
In euch verdeckt seyn für und für?
Ihr Augen, die ihr mehr ein Quell als Augen seyt,
Bleibt an die Zweige hier gehefftet jederzeit.
Hier, da ist das edle Hertze,
So das meine mir zerbricht,
Hier ist meiner Sonnen Liecht,
Das die helle Tages-Kertze,
Die Vertreiberin der Nacht,
Aller schwartz und tunckel macht.
Wiewol ich sonst unsterblich bin,
Doch sterb ich ihrentwegen hin.
Ach Nymfe, die du' dich
Hast eines Gottes Lieb' erwehret,
Dardurch dein schöner Leichnam sich
In einen Lorbeerbaum verkehret,
Es widerfahr in Ewigkeit ja nicht,[72]
Daß ich dein Lob nit soll' in Himmel mit mir führen.
Mit deinen Blättern will ich allzeit, o mein Liecht,
Diß güldne Haar mir ziehren.
Diese meine Pflantze hier
Soll begrünt seyn für und für,
Soll in Kält' und Hitze stehen,
Für dem Wetter frey und loß:
Donner, Plitz und harter Schloß
Soll bey dir fürüber gehen.
Die Regenten dieser Welt
Und ein unverzagter Heldt,
Der sich ritterlich geschlagen
Unter seiner Feinde Schar,
Soll umb sein sieghafftes Haar
Diese frische Zweyge tragen.
Herd' und Hirten sollen dir
Lassen deine grüne Zier;
Hier soll frey von andern Dingen
Nymf' und Göttin ihre Zeit
Lustig und in Frölichkeit,
O du edler Baum, verbringen.
Der Nymfen und Hirten Tantz umb den Baum.
O schöne Nymfe, freue dich,
Dein Leib, der vor besorget sich,
Man würd' ihn nicht verschonen,
Nach dem er Laub und Schatten giebt,
So wird der schöne Baum geliebt,
Auch da wo Götter wohnen.
Kein Plitz ist, der dein Kleyd zerbricht,
Du achtest keinen Regen nicht,
Blühst stets mit grünen Haaren,
Legst nimmer von dir deine Zier,
Bekräntzest grosse Fürsten hier
Und auch der Götter Scharen.
Nun wachse fort, als wie du thust,
Geneuß mit Freuden deiner Lust
Und deiner schönen Gaben.
Wir wollen, wo ja Amors Pfeil
Uns gleichfalls giebet unser Theil,
Ihn auch in Ehren haben.
[73]
Und trügen wir dann Liebes-Gunst,
Laß unsrer Augen treue Brunst
Der Liebsten Sinn durchdringen,
Laß unsers guten Hertzens Pflicht
Wie Eyß, das von der Sonnen bricht,
Ihr hartes Hertze zwingen.
Wo aber es sich auch begiebt
Daß die von uns nicht wird geliebt,
Die uns liebt je auff Erden,
So laß diß unser Haar allhier
An stadt deß Lorbeerbaumes Zier
In Heu verwandelt werden.
Nun grüne fort, und mit dir auch
Der überedle Rauten-Strauch,
Der uns erhält das Leben;
Der Himmel laß' ihn seine Frucht,
Die manches krancke Land jetzt sucht,
Von Zeit zu Zeiten geben.
Nim zu und wachse für und für,
O Rautenstrauch, der Felder Zier,
Für dem die Schlangen fliehen,
Der böse Lust und Schmertzen stillt,
Für dessen Krafft kein Gifft was gilt
Und kan unß nicht durchziehen.
Nim zu und wachse für und für,
Und deine Zweygen neben dir,
Die alle Schönheit ziehret,
Von denen einer sich jetzt giebt
Dem Löwen, der ihn hertzlich liebt
Und hin in Hessen führet.
O schöner Frühling, freue dich,
Der Blumen Lust erhebe sich,
Die Vögel müssen singen;
Der Zweyg so dich, o Löw', ergetzt,
Den Venus in dein Land versetzt,
Wird neue Zweyge bringen.
Wir sehen schon, wie nach der Zeit,
Wann Jupiter den harten Streit
Durch Teutschland noch wird stillen,
Wir sehen, wie der Rauten Ziehr
Mit grüner Lust wird für und für
Feldt, Berg und Thal erfüllen.
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