8. Auff H. Georgen Flandrins unnd Jungfrauen Catharinen gebornen Oelhafin Hochzeit

[35] Und wer ist diß Liecht der Jugend,

Wer doch ist sie, die sich hier

Lest begleyten, an der Tugend

Minder nicht als an der Ziehr,

Wie die schöne Röhte zeigt,

Die ihr in das Antlitz steigt?


Ist es nicht dein neues Leben,

Die Erquickung deiner Brunst,

Welche dir wird übergeben

Von deß milten Himmels Gunst,

Dessen Spruch kein Witz noch Wahn,

Herr Flandrin, verrucken kan?


Ja sie ist es, deine Wonne,

Die so lieblich zu dir geht,

Als Aurora für der Sonne

Auß der bleichen Nacht entsteht,

Bruder, auß der bleichen Nacht,

Die dein Lieb doch schamroht macht.


Schaue, wie sie sich entferbet,

Wie die Mahlerin, die Zucht,

Was kein Bräutigam recht erbet,

Auß den vollen Wangen sucht,

Der nicht solche Tugend freyt

Als das Glücke dir verleyt.


Hier nun sihest du die Schrancken,

Dieses Ziehl nach welchem dir

Stehen muß Hertz und Gedancken

Unverwand und für und für;

Hier sol einig und allein

Deine Ruh und Sorge seyn.


Solch Liebe fellt und weichet,

Die nicht angeleget ist;

Eine Seele die dir gleichet

Hastu aber dir erkiest,

Die durch Urtheil und Verstand

Ihren Sinn auff dich gewand.


Soll sie viel von Liebe sagen?

Nein; die Augen reden dir,

Die sie nieder hat geschlagen

Mit so angenehmer Ziehr,

Und verheischen eine Lust

So dir mehr als ihr bewust.


Schönes Kind, ihr müst euch geben;

Wo schon Geist und Hertze wohnt

Ist nicht Zeit zu widerstreben,

Weiter wird da nicht geschont,

Soll nicht Zartes Fleisch und Bein

Seines Geistes Meister seyn.


Diese Blüthe, diese Gaben,

Eures schönen Leibes Pracht,

Und die sich erwiesen haben,

Eures Liebsten Muth und Macht,

Die erfodern, was ich wol

Dencken mehr als sagen soll.


Ruhet dann, jedoch erweget,

Liebes Par, es sey die Nacht

Eh es morgen sieben schläget

Nicht zum Schnarchen nur gemacht.

Zwey die müssen Wache seyn;

Schlaffen kan man wol allein.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 35-36.
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