[145] Freischärler-Reminiszenzen. Zwölf Gedichte von Louise Aston. Leipzig. Verlag von O. Weller. 1850.
Wir sind es unsern Leserinnen schuldig, einige Worte über das vorliegende Lieder-Heft zu sagen – aber wir tun es ungern. Es tut uns leid, ein vielleicht begabtes weibliches Wesen im unreinen Element zu sehen – und doppelt leid, weil die Verfasserin sich mit zur demokratischen Partei zählt und wir von dieser Partei alle unreinen Elemente, mögen sie nun Männer oder Frauen mit sich bringen, fern gehalten sehen möchten.
Wir können uns bei Durchlesung dieser Gedichte von dem Eindruck des »Gemachten« im Gegensatz zur wahren Gesinnungsinnigkeit nicht losmachen; schon die Worte »Pferch-System«, »Problem«, »politisches Kapitel« u.s.w., berühren uns unangenehm und unpoetisch, man begreift nicht, wie sie beim begeisterten Dichten nur möglich sind. Saget nicht, die Zeit sei jetzt zu gewaltig, zu praktisch und tatenreich geworden, um mit den Dichtern noch um Worte zu hadern – im Gegenteil, wir sagen: je höher die Wogen der Zeit gehen, je höher müssen sie auch die Dichter tragen, und es ist in solchen Stürmen eher das Pathos der Überschwänglichkeit zu entschuldigen als der Ausdruck der Alltäglichkeit – aber wir fürchten eben auch, L. Aston habe sich diesen Stürmen der Zeit überlassen ohne die Kraft, von ihren Wogen sich emporheben zu lassen. – Doch wir müssen noch speziell einige Worte über das Gedicht: »Den Frauen« sagen. Da heißt es:
»Ihr richtet streng der Sitte heil'ge Vehm
Und schleudert auf mein Haupt das Anathem!
Mögt ihr zu Boden stürzen eure Kerzen
Und schlagen an die Brust so tugendreich:
Ich fühl' es mächtig in dem tiefsten Herzen,
Daß meine Sünde eurer Tugend gleich.«
und weiter:
»Ich achte dennoch eure Tugend nicht,
Verwerfe kühn eu'r heiliges Gericht!
Seid des Gesetzes Hort, der Sitte Rächer,
Des frommen Glaubens treuer Genius!
Es lebe ein heil'ger Geist auch im Verbrecher,
Der Freie sündigt, weil er sünd'gen muß.
Wenn mich der Liebe Flammen heiß umsprühn,
Will ich im sel'gen Feuer-Tod verglühn;
Doch aus den Gluten steig' ich neugeboren,
Wie sich der Phönix aus der Asche schwingt,
Geläutert ward mein Wesen – nicht verloren,
Zu neuem heilgen Liebesglück verjüngt.«
Die Leserinnen mögen selbst urteilen, ob hier reine oder unreine Elemente sind. Der Dichterin gegenüber habe ich nur zu bemerken, daß die auch im Buch gesperrt gedruckte Zeile nicht unmoralisch (wie sie vielleicht meint, daß wir Frauen sagen werden), sondern unphilosophisch und unsinnig ist. Der Freie muß eben nicht sündigen – denn Sünde ist gar nichts andres als Unfreiheit – und zwar nach Feuerbach eben sowohl wie nach Luther. Wenn der[146] Freie etwas tut, was von einem beschränkten Standpunkt aus »Sünde« ist, er selbst aber diesen Standpunkt verlassen hat, so ist's eben ihm nicht Sünde, sondern Freiheit und Recht. Begeht aber der Freie eine Tat, die ihm Sünde ist, die er nicht mit seiner freien Anschauung, mit seinem Sitten-Gesetz in Einklang bringen kann, so ist dies ihm Sünde, aber dann hat er aufgehört, ein Freier zu sein, und ist ein Sklave seiner Sinnlichkeit und eines fremden Gesetzes geworden. – Das ist sehr einfach. Ich fürchte, L. Aston, obwohl sie sich eine Freie nennt, gehört gerade zu den Unfreien.[147]
Ausgewählte Ausgaben von
Aufsätze aus der »Frauen-Zeitung«
|