§ 2

[150] Seitdem ist es schlimm und schlimmer geworden. Zuerst kamen die Fechner'schen Tränen über das verlorengegangene Jenseits; man wagte die Gründung einer neuen Disziplin, der »Psicho-Fisik«, und – richtig! die Seele war wieder da, hereingeschmuggelt auf dem denkbar unglaublichsten Wege; alle Luken hatte man verstopft, und mit der – Fisik kam sie. Es folgten die Iammerlaute deutscher Fisiologen und ihr »Ignoramus!« (Um jene Zeit fielen die Werke des Naturfilosofen Schelling bei Cotta[150] von M. 122.– auf M. 40.–). Und seither ist es kläglich zu sehen, wie die Psichologen und Fisiologen, der psicho-fisische Materjalismus, die Vertreter der experimentellen Psichologie auf materjalistischer Grundlage und jener auf hipnotistisch-psichologischer Grundlage, die psicho-fisischen Parallelisten und filosofisch-materjalistischen »Monisten« um die arme Seele sich abmühen, nach ihr haschen und sie wieder loslassen, sie haben möchten, aber doch ihrer eigenen materjalistischen Vergangenheit nicht untreu werden wollen. – »Sie aber werden zerdroschen werden wie Stroh zerdroschen wird und wie Koth.« Jesaia 25, 10. – Die Halbheit ist das Schlimste. Das Geschwäz um eine unsichere Sache, statt der Tat, das Erbärmlichste. Psichik und Fisik. »Eat a cake and have a cake«, wie der Engländer sagt: den Kuchen essen, und ihn doch noch haben wollen. Erst die Seele fisisch konstruiren, und sich dann sagen müssen, dass man sie doch nicht hat. Das ist die Signatur der gegenwärtigen Psichofisiker. Und ich sehe schon den deutschen Meister kommen, der die Seele wieder an ihre Stelle sezt, und Euch Alle so gründlich in dem Zauberkessel der täuschungsreichen Maya untertauchen wird, dass Euch Hören und Sehen vergeht.

Quelle:
Oskar Panizza: Die kriminelle Psychose, genannt Psichopatia criminalis. München 1978, S. 150-151.
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