Weihe

[84] Der du fragest, welches Glück

Deine Liebe lohnen werde,

Weich' Unwürdiger! zurück

Von dem heil'gen Opferherde!

Denn so lang' nach Freuden noch

Strebt dein Sinnen und Verlangen,

Bist du aus der Selbstsucht Joch

Nicht zur Freiheit eingegangen.


Erst, wenn alle Lust und Qual

Deinem Blick in Nichts zerronnen,

Wird der Liebe Weihestrahl

Läuternd dein Gemüth durchsonnen,[85]

Und beginnen wird in dir

Wunderbar erhöhtes Leben,

Jenseitsfrieden in dem Hier,

Wenn du deiner dich begeben.


Wenn du, statt zu fordern, giebst,

Wenn du, selig selbstvergessen,

An der Gluth, womit du liebst,

Deine Wonne weißt zu messen,

Wenn das Herz in deiner Brust

Segensstrahlen rings entsendet,

Seines Reichthums sich bewußt,

Durch die Gaben, die es spendet. –

Quelle:
Betty Paoli: Neue Gedichte. Pest 21856, S. 84-86.
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