Von Schimpff das 433.

[255] Ein Wolff wolt ee mager sein und frey dan feißt und gefangen.


Uf einmal kem ein feißter Hund zů einem Wolff. Der Wolff sprach zů dem Hund: ›Gůt Gesel, wie lebstu, das du als feißt bist, und ich bin als mager?‹ Der Hund sprach: ›Ich dien einem Menschen, der gibt mir genůg zů essen.‹ Der Wolff sprach: ›Ich wil mit dir gon und wil auch dienen.‹ Und da sie also mit einander giengen, da sahe der Wolff dem Hund sein Hals an und sprach zů im: ›Wie kumpt es, das dein Hals also beschaben ist und kein Har da ist?‹ Er sprach: ›Im Tag legt man mich gefangen und legt mir ein Halßband an den Hals, das macht mich also blutig. Aber zů Nacht bin ich ledig und frei.‹ Der Wolff sprach: ›Alde, alde, lieber Gesel. Ich wil lieber mager sein und frei dan feißt und gefangen.‹


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Quod fieri servus ventris amore velim.

Dicior est liber mendicus divite servo.


Also ist es einem Menschen besser, das er ein frei lutere Conscientz hab mit Armůt, Hunger und Durst und mit Boßheit und Nackentsein, dan das er vil Gůtz het mit Nagen und Beissen der Conscientz und mit Underwürflicheit des bösen Geists.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 255-256.
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