XI.

[48] Nicht will ich mehr in alten Weisen singen,

Die achtlos untergingen mir zur Schande!

Auch frohem Stande reihen sich Beschwerden.

Stets Seufzen nur kann keine Hülfe bringen.

Schon ringen unterm Schnee die Alpenlande.

Dem Schlaf entwandt' ich mich; denn Tag will's werden.

Hold ehrbare Geberden sind gepriesen!

Auch an der süßen Herrinn muß ich's ehren

Daß sie hochhehren Zornes sich erwiesen;

Doch Stolz und Haß verdrießen.

Der Liebe Reich muß Schwertes Schärf' entbehren.

Zurück soll kehren, wer verlor die Straße;

Wer keine Herberg' hat, in's Gras sich setze;

Wer Gold entbehrt und Schätze,

Still' seinen Durst aus einem schönen Glase.


Mir ward St. Peters Schutz. Nun nicht mehr, nein!

Wer kann, seh's ein! wie ich mich ganz verstehe.

Verschuldet Wehe schwer zu Herzen gehet.

Möglichst befrey' ich mich und steh' allein.

Nicht will ich seyn, wie Phaëton, der ehe[48]

Sank aus der Höhe. Frey die Amsel stehet.

Kommt, sehet selbst! – doch nein, ich will nicht bitten!

Kein Scherz sind Felsen mitten in den Fluthen,

Im Strauch Leimruthen. Schmerzlich hab' ich litten,

Wenn herrisch stolze Sitten

In schöner Donna bargen viel des Guten. –

Die mit Bescheid sich sputen sonder Frage,

Die lassen jeden ziehen unerhöret;

Der sich in Eis verzehret,

Der sehnt sich nach dem Tod bey Nacht und Tage.


Verjährt ist's Sprüchlein: »Liebe, wer dich liebet!«

Was mich betrübet, weiß ich; kann's nicht zwingen.

Wer auf will dringen, muß die Kosten tragen.

Niedrige Herrinn Groll am Freunde übet.

Die Feig' oft Täuschung gibet. Nicht zu ringen

Nach hohen Dingen, dünkt mich klug Betragen,

Und allwärts ragen Hütten, drin zu leben.

Unmäßig Streben muß den Tod bereiten.

Zu Zeiten hab' auch ich mich hingegeben,

Der kleine Rest vom Leben

Mag, wenn es seyn soll, auch hinunter gleiten.

Fortan soll leiten mich der Herr der Erden,

Der seine Theuren führt auf Waldes Pfaden,

Daß mit dem Stab der Gnaden

Zur Weid' er führ' auch mich mit seinen Heerden. –


Nicht all', die's lesen, werden mich verstehen,

Wie sie auch spähen, keinen Fang erkünden.

Wer tief nach Gründen forschet, leicht versinket. –

Was Allen ein Gesetz, kann nicht vergehen.[49]

Weit muß man gehen, sichern Stand zu finden.

Bald wird verschwinden, was groß Wunder dünket.

Verschloßne Schönheit blinket mehr und freuet.

Gebenedey't der Schlüssel, der gekommen

Zum Herzen, es entnommen und befreyet

Von Fessellast, zerstreuet

Endloses Weh und aus der Brust genommen.

Wo ich beklommen litt, leiden noch Viele.

Der Andern Schmerzen schmälern meine Schmerzen;

Dank, Amor, dir von Herzen,

Daß ich's, wiewohl es noch wie sonst, nicht fühle.


Das hochverständ'ge Wort bey tiefem Schweigen;

Der Laut, dem weichen muß all' andres Sinnen;

Die dunkle Haft, worinnen lichte Helle;

Am Strand nächtlicher Veilchen stilles Neigen;

Des Wilds Bezeigen in den Mauern drinnen;

Das scheue Minnen; Zucht und Stromes Welle,

Zu lieber Stelle friedlich hingeronnen

Aus zweyen Bronnen; Lieb' und scheues Bangen, –

Das all' hält mich umfangen und umsponnen;

Auch die zwey lichten Sonnen,

Die mir auf sanftem Pfad vorausgegangen,

Hin, wo der Schmerz vergangen, Hoffnung winket.

O theures Gut und all', was du beschieden,

Krieg, Waffenruh' und Frieden,

Verlaßt mich nicht, bis diese Hülle sinket!


Ich lach' und wein' ob den erlittnen Streichen.

Mit stillem Neigen will ich aufwärts schauen,

Der Zukunft trauen, froh deß, was geblieben,

Die Jahre zählend jammern so als schweigen,

In schönen Zweigen mir ein Nest erbauen,[50]

Der rauhen Weig'rung nimmer mich betrüben

Die alt verhärtet Lieben nun bezwungen,

Von Lästerzungen und viel bittern Tagen

Mir kam zu sagen, Anderes entrungen.

So weit bin ich gedrungen,

Auch dies zu künden; doch »nicht darfst du's wagen!«

Spricht, die mich wund geschlagen und nun heilet,

Die mehr das Herz als das Papier erfüllet,

Der Leben, Tod entquillet,

Die Kälte mir zugleich und Gluth ertheilet.

Quelle:
Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. Band 1, Wien 1827, S. 48-51.
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