II.

[20] Himmelerkorne Seele du, o werthe

Und selige, die du im Kleid der Erden

Leicht wandelst, nicht wie Andre schwer beladen,

Daß minder hart der Weg dir müsse werden, –

Du gottgeliebte Magd und treubewährte, –

Wo es von hinnen geht zum Reich der Gnaden!

Dein Nachen, sieh', der auf der Rettung Pfaden[20]

Der blinden Welt bereits den Rücken wandte,

Bessern Port zu erlangen,

Hat süßen Trost westlichen Winds empfangen,

Der mitten durch des Thales dunkle Lande,

Wo wir ob eignem Wahn und fremden bangen,

Auf dem geradesten der Pfad' ihn sendet,

Ledig der alten Bande,

Zum wahren Osten, dem er zugewendet.


Der brünstigen Gebethe Liebespenden,

Die frommen Thränen Sterblicher hienieden,

Sind sie gelangt auch vor die höchste Gnade,

War ihnen doch nicht Kraft genug beschieden,

Die ewige Gerechtigkeit zu wenden

Durch ihr Verdienst allein von ihrem Pfade;

Doch Er, der droben waltet voller Gnade,

Zur Stätte, da er ward an's Kreuz geschlagen,

In Huld den Blick er senket.

Drob sich das Herz dem neuen Carlo lenket

Endlich zur Rach', an deren lang Vertagen

Viel Jahre noch Europa seufzend denket.

Für seine Braut nun zieht er aus, die Traute,

Daß Babel trauern, zagen

Muß bey des bloßen Rufes ernstem Laute.


Die zwischen dem Gebirg' und der Garonne,

Die zwischen Rhein und Rhon' und salz'gem Meere

Folgen den allerchristlichsten Panieren;

Und all', so zugethan der wahren Ehre,

Von Pyrenä'n zum Niedergang der Sonne,

Aus Aragon und Spanien sich verlieren;

England auch und die Inseln all' sich rühren[21]

Im Meer zwischen den Säulen und dem Wagen;

Endlich auch die, so hören

Des heil'gen Helikon erhab'ne Lehren,

Verschieden all' an Waffen, Tracht und Sprachen,

Treibt fromme Liebe zu dem Kampf der Ehren. –

Wo gab's so würd'ge Liebe je zu schauen?

Und nimmer ward getragen

Gerechtrer Zorn um Söhne so als Frauen?


Es ist ein Theil der Welt, wo festgefroren

So Schnee als Eis zu allen Zeiten thronet,

Fernab weit von der Sonne Bahn gelegen;

Da unter neblig kurzen Tagen wohnet,

Zu Streiteslust von der Natur erkoren,

Ein Volk, das froh dem Tode sieht entgegen.

Wenn dies mit Deutschem Wüthen sich den Degen

Umgürtet, frömmer, als es sonst gepflogen,

Wirst du den Unwerth schauen

Der Türken, Araber und die die Auen

Diesseits der See mit blutigrothen Wogen

Bewohnen und auf fremde Götter bauen;

Ein näckt, elendes Volk, furchtsam, verdrossen,

So nie ein Schwert gezogen,

Die Winde nur bekämpft mit den Geschossen.


Drum ist es Zeit, den Nacken zu entziehen

Dem alten Joch, den Schleyer zu zerreißen,

Der unser Aug' in Banden lang gehalten!

Es muß dein Geist, den, hold sich zu erweisen,

Der Himmel durch Apollo dir verliehen,

Und dein beredter Mund sein mächtig Walten

In Wort und vielgepries'ner Schrift entfalten.

Können Amphions, Orpheus Zaubertöne[22]

Kein Staunen dir entringen,

So minder, wenn bey deiner Red' Erklingen

Italia erwacht und ihre Söhne,

Daß sie für Jesus kühn die Lanze schwingen.

Denn will die alte Mutter Wahrheit wissen,

Nie hat so freundlich-schöne

Veranlassung sie in den Kampf gerissen.


Du, der du hast, nach werthem Reichthum langend,

So alt' als neue Bücher durchgespüret,

Mit ird'schem Leib' zum Himmel dich geschwungen,

Du weißt es, wie, seit Mavors Sohn regieret,

Bis zu Augustus, der im Lorbeer prangend

Dreymahligen Triumphzug sich errungen,

Rom Andern oft mit seinem Blut erzwungen

Freundlich des fremden Uebermuths Beseit'gung.

Wär's minder nun zu loben,

Wenn es, wo freundlich nicht, doch fromm erhoben

Das Rachschwert gegen sündliche Beleid'gung

Mit dem glorreichen Sohn Mariens droben?

Was hoffen denn die Scharen noch der Feinde

Von menschlicher Vertheid'gung,

Wenn Christus steht in Mitten seiner Freunde!


Denk' an des Xerxes tollverwegen Handeln,

Der, unsre Küsten feindlich zu erwerben,

Mit neuen Brücken Schmach dem Meer bereitet;

Und sehen wirst du ob der Gatten Sterben

Die Perserfrau'n in schwarzem Kleid umwandeln,

Blutig das Meer von Salamis gebreitet.

Und nicht allein solch' schmählich Schicksal deutet

Wie dort des Ostens armes Volk erfahren,[23]

Auf nahe Siegesklänge;

Auch Marathon und jene blut'ge Enge,

Die Sparta's Leu verfocht mit kleinen Scharen,

Und Anderes, so du gehört, in Menge,

Drum mußt vor Gott du Herz und Kniee beugen,

Daß er in deinen Jahren

So Herrliches dir gnädig wollt' erzeigen.


Du wirst Italien und ein ruhmvoll Ufer,

Canzone, sehn, das meinem Blick verdecket

Der Strom nicht, noch das Meer, noch Bergeshöhen,

Nur Amor, der mit seiner Strahlen Wehen,

Je mehr er zündet, mehr der Sehnsucht wecket;

Denn gegen Neigung kann Natur nicht stehen.

Nun eil', eh' die Genossen dir entschwinden!

Amor, der Thränen wecket

Und Freude, wohnet nicht bloß unter Binden.

Quelle:
Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. Band 1, Wien 1827, S. 20-24.
Lizenz:
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