Das sechszehende Capitel.

Was D. Fausti letzte Bitte gewesen.

[620] DA nun D. Faustus obbehörter massen seine Bekantniß wegen seines schweren Falls, vor den Gästen gethan, auch hierauf der erfolgten nothwendigen Antwort, und beygefügter Tröstung des Magisters fleissig zugehöret, hat er wol darüber oft geseufftzet, jedoch zuletzt also angefangen: Ihr meine liebe und günstige Herren, ich befinde leider in und an mir, daß solch euer vorgebrachter, und in GOttes Wort gegründeter Trost für meine Seele, bey mir nichts hafften, und der mich nichts angehen will, weiln es nunmehr mit mir zu spät ist, und bald aus seyn wird; wiewol ich mich einen Weg als den andern, wegen solches hertzlich bedancke, und wolte gar gerne dem Teuffel den Leib lassen, wenn nur die Seele erhalten würde, aber vergeblich, alles vergeblich.

Ihr wollet euch anjetzo mit einander zur Ruhe begeben, sicher schlaffen, und euch nichts anfechten lassen, auch so ihr ein Gepolter und ungestümmes Wesen im Haus hören und vernemen werdet, wollet euch darob nicht entsetzen, noch euch fürchten, denn euch kein Leid widerfahren soll, wollet auch vom Bette nicht aufstehen; allein dieses wolte ich zu guter Letzte von euch gebetten haben, daß so ihr meinen Leib findet, solchen zur Erden bestatten lasset: Gehabt euch ewig wol, ihr Herren, [622] und nemet ein Exempel an meinem Verderben. Gute Nacht! es muß geschieden seyn!


Anmerckung.

I. Allhie sihet man an dem verstockten und unbußfertigem D. Fausto, ein Exempel und wahres Conterfait einer zu spaten Reue, deme auch, wie er selbst bekennet, weder zu rathen, noch mehr zu helffen gewesen ist; und auf welchen deß Poeten Wort nicht übel hätten können gezogen werden:


Wer deß Höchsten Feinde trauet,

endlich viel zu spat beschauet,

daß er für verdienten Lohn

bringt der Höllen Qual darvon.

Ewig, ewig währet lange,

machet ewig ewig bange.


[620] Ein einiges Exempel einer solch allzuspaten Reue, wollen wir noch anführen aus dem ersten Theil des grossen Schauplatzes Jämmerlicher Mordgeschicht Histor. 11. Folgendes Inhalts. Ein vornemer Geistlicher unter den Bettel-Mönchen, hat seiner Schwester Sohn zu dem Studiren, und allem Guten angehalten, daß er wol zugenommen, und zu Erwerbung hoher Dienste grosse Hoffnung gemachet.

Valfroy, also war dieses Mönchs Nam, fande daß das Joch des Closterlebens seinem Nacken eine gantz unerträgliche Last wäre, und suchte er, unter einem guten Schein, böses Gespräch mit Weibspersonen, und dardurch der Wercke der Finsterniß theilhafftig zu werden. Kurtz, er verfähret so ärgerlich, daß jedermann übel von ihm und allen seinen Mitbrüdern, die solches verstatten müssen, redete, massen sie auch darüber ein so böses Gerücht erlanget, daß ihnen fast niemand mehr einig Almosen steuren wollen.

Fernerm Ubel vorzukommen, wird Valfroy in eine andere Stadt verschickt, die Fasten-Predigten allda zu verrichten, weil er beredt, und in den Streitfragen wol beschlagen, und am selben Ort viel Hugenoten sich aufhielten.

[623] Ruth, eine schöne Hugenotin, kommt mit diesem Prediger in Kundschafft, daß er von etlichen Sachen mit ihr zu disputiren beginnet, welche nicht in dem Bellarmino zu finden, und sie wie Boas mit seinen Flügeln bedecket, und ehelichet.

Dieser Mönch ändert die Religion, und prediget für die, wider welche er zuvor das Wort geführet, weil er ein sehr beredter und gelehrter Mann, der alle Sachen zu seinen Vorhaben ziehen können.

Ein Abt, welcher nicht weit von dar wohnhafft, besuchte Valfroy und vermerckte wol, daß ihm Fleisch und Blut solche Religion geoffenbaret und daß er für seine vier Kinder, welche ihm Ruth geboren, Sorge trüge, wenn er wieder in das Closter gehen solte, verspricht ihm deßwegen, solchen allen reiche Unterhaltung zu schaffen, und von Rom vollen Ablaß zu erhalten, wenn er wieder in das Closter gehen würde.

Indem nun Valfroy diese Verkehrung oder Bekehrung verzögert, überfällt ihn ein hitziges Fieber, daß er gantz von Sinnen kommt. So bald solches der Abt erfähret, kommt er den Krancken zu besuchen, bemühet ihn genommene Abrede zu vollziehen; aber viel zu spat: Denn er in seiner beharrlichen Schwachheit auf alle Fragen zur Antwort gabe, die Wort so unser Seligmacher zu den thörichten Jungfrauen gesprochen: Nescio vos, ich kenne euer nicht, ich kenne euer nicht. Ist also in allen seinen Sünden ohn allen Verstand, Reu und Busse, dahin gefahren.[621]

Quelle:
Pfitzer, Nikolaus: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß viel-berüchtigten Ertz- Schwartzkünstlers Johannis Fausti [...]. Tübingen 1880 [Nachdruck: Hildesheim, New York 1976], S. 620-622.
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