Das siebenzehende Capitel.

Von dem greulichen und erschröcklichem Tod D. Fausti.

[622] AUf solche vorher gethane Nacht-Wünschung tratten die Gäste einer nach dem andern zu D. Fausto, hatten ein hertzliches Mitleiden, und sprachen mit erschrockenem Hertzen: Herr Doctor, hiermit wünschen wir euch eine gute Nacht, [624] und zwar eine bessere weder ihr vermeinet, wir bitten sämtlich nochmals, ihr wollet eures Heils und eurer Seelen Wolfahrt bei jetziger letzten Zeit warnemen; und weil ihr nicht anderst glaubet, denn der Teuffel werde diese Nacht euren Leib hinweg nehmen, so ruffet den Heiligen Geist um Beystand an, damit er euere Seele möge regieren, und zu einem unzweiffelichten Glauben an Christum bringen: Diesem befehlet alsdenn, wenn es je nicht anderst wie seyn können, euren Geist in seine barmhertzige Hände, mit reuigem Hertzen, sprecht mit dem König David: Ich harre deß HErrn, meine Seele harret, und ich hoffe auf sein Wort, denn bey dem HErrn ist Gnade, und viel Erlösung ist bey ihm.

Darauf gantz weinende D. Faustus sagte: Ach liebe Herren, ich will in meinem Hertzen so viel seufftzen, und ächtzen, ob etwann mich verlornen GOTT wieder möchte zu Gnaden aufnemen; aber ich besorge leider, daß nichts daraus werden dörffte, denn meiner Sünden ist zu viel: und unter solchen Reden sancke er gleich einem Ohnmächtigen hin auf die nächste Banck, dessen sie alle erschracken, und sich bemüheten ihn aufzurichten.

In solchem Schrecken hörten sie im Haus ein grosses Poltern, darob sie sich noch mehr entsatzten, und zu einander sprachen: Last uns von dannen weichen, damit uns nicht was Arges widerfahre, lasset uns zu Bette gehen; wie sie denn auch solches thaten. Da sie nun dahin gegangen waren, kunte keiner aus Furcht und Entsetzen einschlaffen, zu dem, so wolten sie doch vernehmen, [625] was es für einen Ausgang mit dem D. Fausto nehmen würde.

Als nun bald die Mitternacht-Stunde erschienen, da entstunde[622] plötzlich ein grosser ungestümmer Wind, der risse und tobte, als ob er das Haus zu Grund stossen wolte. Wem war nun ängster und bänger als diesen Studenten, sie wünscheten zehen Meilen von dar zu seyn, sie sprungen aus den Betten mit grosser Furcht, da sie nemlich kurtz darauf in der Stuben, in welcher D. Faustus liegen geblieben, ein greuliches Zischen und Pfeiffen, als ob lauter Schlangen und Nattern zugegen wären, gehöret und vernommen: noch mehr aber wurden sie bestürtzet, da sie vernommen das Stossen und Herumwerffen in der Stuben, den armseligen Faustum zetter Mordio schreyen, bald aber nichts mehr. Und vergieng der Wind, und legte sich, und ward alles wieder gantz still.

Kaum hatte es recht getaget, und deß Tages liecht in alle Gemächer deß Hauses geleuchtet, da waren die Studenten auf, giengen mit einander gantz erschrocken in die Stuben, um zusehen, wo D. Faustus wäre, und was es für eine Bewandniß diese Nacht über mit ihm gehabt hätte; sie kamen aber kaum dahin, so sahen sie, bey Eröffnung der Stuben, daß die Wände, Tisch, und Stüle voll Bluts waren: ja sie sahen mit Erstaunen, daß das Hirn D. Fausti an den Wänden anklebete, die Zähne lagen auf der Erden, und musten also augenscheinlich abnemen, wie ihn der Teuffel von einer Wand zu der andern müsse geschlagen und geschmettert haben.

Leichtlich ist zu glauben, was solches Spectacul [626] für ein Entsetzen unter solchen jungen Leuten werde verursachet haben, sonderlich, da sie kurtz hierauf den Cörper allenthalben im Hause gesucht, solchen aber zuletzt ausserhalb deß Hauses auf einem nahegelegenen Misthauffen liegen gefunden, der aber gantz abscheulich anzusehen gewesen: Denn es war kein Glied an dem gantzen Leichnam gantz, es schlotterte und war ab; der Kopff war mitten von einander, und das Hirn war ausgeschüttet: Sie trugen aber den Leichnam in aller Stille in das Haus, und berathschlagten sich, was ferner anzufangen?


Anmerckung.

I. Nicht nur allhie D. Faustus, sondern auch andere Zauberer und Schwartzkünstler, haben gleiche Belohnung mit ihm von ihrem[623] Meister dem leidigen Teuffel, bekommen, die denn ohne Lux et Crux dahin gefahren seynd: und wo ihnen der Teuffel nicht selbst zeitlich hat den Hals gebrochen, seynd sie doch dem Hencker unter die Hände kommen.

Also ist Misraim, den etliche Zoroastrem nennen, lebendig vom Feuer deß Himmels verzehret worden, wie Augustinus schreibet 1. 21. de Civ. Dei, c. 14. Doch will Otto, Episc. Frising. l. 1. c. 6. er sey um seiner Bosheit willen durch Ninum umgebracht worden.

Simon und Samaria, aus dem heidnischen Städtlein Gython oder Gyttis, ein grosser, frecher und gewaltiger Zauberer, hat seine Zauberey, Schwartzekunst und Gauckeley, auch den Aposteln zu Trutz und Verdrieß, getrieben, bis er endlich von seinem Meister dem Teuffel, verdienten Lohn empfangen, in die Lufft geführet, nider geworffen worden, ein Bein zerbrochen, und bald darauf gestorben.

Die beiden Zauberer Zaroes und Arphaxat seynd vom Donner erschlagen, eben in der Stunde, da Simon und Judas, die beyde Apostel, um der Bekandniß willen deß Evangelii, seynd gemartert worden, wie Abdias, ein Bischoff zu Babylonien schreibet, l. 6. certam. Apost.

Nicolaus Gilles, Königlicher Frantzösischer Secretarius, schreibet in der Frantzösischen Chronica, unter Phi lippo I. von [627] einem Graven zu Mascon, dem Fluß Arar, jetzund die Saone genant, in Franckreich gelegen, also: Es hat sich begeben, daß auf einem Feyertag, wie der Grav in seinem Pallast zu Mascon gesessen, und viel Ritter, Graven und allerley Stands Volck bey ihm gewesen, unversehens ein unbekanter Mann, auf einem schwartzen Pferd, zu deß Pallasts Pforten eingeritten, und in Gegenwart aller derer so daselbst vorhanden, die sich höchlich verwundert, bis zu dem Graven selbst gezogen, und gesagt: wie er etwas mit ihm reden wolte. Da er aber nahe bey ihm gewesen, hat er ihm befohlen, daß er von dem Ort da er gesessen, aufstehen solte: auf solches ward der Grav, als durch unsichtbarliche Krafft, gezwungen, und da er gesehen, deß er nicht darwider thun könte, aufgestanden, und mit ihm hinab bis an deß Pallasts Pforte gangen, allda hat er ein ander schwartz gerüst und gesatteltes Pferd gefunden, auf welches er, aus Befehl gedachtes unbekannten Manns, von Stund an gesessen, welches ihn denn von jedermänniglich daselbst gegenwärtig und zusehend, in die Lufft hinauf und hinweg geführet. Es ward von dem grossen Geschrey und erbärmlichen Klagen, das der Grav triebe, die gantze Stadt beweget, und lieffen die Burger zu: er schrey um Hülff, aber fuhr je länger je mehr und weiter in die Lufft, daß man ihn nicht mehr sehen kunte.

Also wird von einer grossen Zauberin in Engelland geschrieben,[624] die sich dem Teuffel ergeben hatte, die ward in der Kirchen, dieweil die Priester sangen, von dem Teuffel grausam gezerret und auf ein scheußlich Pferd gesetzt, durch die Lufft hingeführet, und hat man eine gute Zeit ein erschröckliches Klaggeschrey gehöret.

Vom Papst Sylvestro dem II schreibt Platina, Naucle rus, und andere Scribenten daß er mit dem Teuffel einen Bund aufgerichtet, daß er nemlich alsdenn deß Teuffels seyn wolte mit Leib und Seel, wenn er seine erste Meß werde zu Jerusalem halten, hergegen solte ihm der Satan auf den Päpstlichen Stul helffen, welches auch geschehen: als er aber auf eine Zeit in einer Capell zu Rom Messe hielte, da kam der Beelzebub und seine Gesellen hauffenweiß in die Capell hinein, die flogen ihm um den Kopff herum, wie die grosse Hürneysse. Darauf fragte der Papst, was dieses Geschwärm bedeute, bekommt er zur Antwort, er soll wissen, daß diese Capell, in welcher er anjetzo Messe gehalten, zu Jerusalem, sonst [628] zum H. Creutz, mit Namen hiesse: alsbald merckte er wo es hinaus wolte; denn der Teuffel kam und führte ihn mit sich davon.

Wie er dem Papst Paulo II. den Hals umgedrehet hat, ist zu lesen in Chron. Carion. l. 5. Also wird auch Papst Alexander der Sechste, ein grosser Zauberer und Schwartzkünstler, vom Teuffel geholet. Hildebr. in Goet. p. 269.

Picus Mirandulanus schreibt, de prænot. superstit. l. 5. daß ein Schwartzkünstler gewesen, welcher als er einem Fürsten die Belägerung der Stadt Troiæ hat zeigen und vorstellen wollen, von dem Teuffel lebendig sey weggeführet worden.

A. Lercheimer schreibt, c. 2. f. 4. daß ihm eines ehrlichen Manns ungerathener Sohn bekant, welcher auch mit seines Gleichen auf dem Mantel gefahren. Da nun seine Zeit verlauffen, und er seiner Freunde einen an einem fremden Ort besuchet, und bey ihnen am Tisch gesessen, sey ihm unversehens der Kopff hinder sich gedrehet worden, und er also tod blieben. Die mit ihm über Ti sche sassen, haben gemeinet, er hätte hinder sich gesehen; so hat es ihm der unsichtbare Teuffel gethan.

Abermal gedencket Lercheimer eines Schwartzkünstlers, der, als die Stund seines Vertrags, welchen er mit dem Teuffel gemachet, herbey kommen, seine Sünde erkennet, etlichen Geistlichen gebeichtet, und sich zu GOtt bekehret: aber nichts desto weniger sey er in der bestimten Nacht von seinem Geist erwürget worden, daß er Morgens vor seinem Bette auf dem Rucken gelegen, und ihm der Hals abwerts auf dem Boden gestanden.

Carolus der Siebende, König in Franckreich, ließ den Fürsten Ægidium, so ein grosser Zauberer gewesen, an den Galgen hängen, und mit Feuer sengen. Fulgos. l. 9. c. 2.

[625] Einsmals hat eine Zauberin, da sie auf die Folter gespannt gewesen, den Teuffel angeruffen und gesagt: Ach mein lieber Bule, halte mir was du mir hast zugesagt: Ach mein lieber Bule, ach mein Gott, halte, was du hast zugesagt. Und da sie also geschryen, ist eine schröckliche Stimm gehöret worden: Ick wilt doen, dafür jedermann ist erschrocken. Bald kommt der Satan, und drehet ihr den Hals um.

In Holstein hat sichs begeben, wie M. Meiger. l. 1. Panurg. Lam. c. 14. berichtet, daß eine Zauberin ist verurtheilet worden, daß sie solte verbrandt werden: dieser hatte der [629] Teuffel zugesagt, es solte sie der Hencker nicht ins Feuer werffen. Nun trägt sichs zu, daß sie der Hencker hatte auf die Leiter gebunden, und aufgerichtet, daß er sie wolte ins Feuer werffen, wird sie ihm mit samt der Leiter aus den Händen in die Lufft weggerucket, und lässet sie der Teuffel mit der Leiter etliche mal herum kommen, und folgends mitten ins Feuer nieder fallen, daß die Funcken überal fliegen, und das umstehende Volck kaum vom Feuer weg kam.

Wer wolte nun allhie den Teuffel beschuldigen, daß er der Zauberin nicht gehalten, was er ihr versprochen, weil kein Hencker sie ins Feuer werffen müssen.

In Summa die Erfahrung bezeuget es, daß die allerberühmtesten Zauberer und Schwartzkünstler ein jämmerlich Ende genommen, und wie man spricht, selten auf Federn, sie seyn denn über eine Gans zu todt gefallen, gestorben seyn.

Solche Ehre und Belohnung gibt und erweiset der Fürst der Finsterniß seinem Hofgesind und Dienern. Zwar etliche solcher Gesellen entlauffen zu mancher Zeit der zeitlichen Straff, deren sie vielleicht nicht wehrt seynd, und werden dafür ausser allem Zweiffel mit ewiger heimgesuchet werden.[626]

Quelle:
Pfitzer, Nikolaus: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß viel-berüchtigten Ertz- Schwartzkünstlers Johannis Fausti [...]. Tübingen 1880 [Nachdruck: Hildesheim, New York 1976], S. 622-627.
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