Das sieben-und-dreyssigste Capitel.

Wie D. Faustus, als man seiner bey einer Gasterey verlanget, er aber von dar weit entfernet gewesen, unversehens sich bey den Gästen eingefunden.

IN der Schlosser-Gassen zu Erffurt stunde ein Haus, zum Encker genannt, darinnen hat damals ein Stadtjuncker gewohnet, bey welchem, als einem Liebhaber der Magiae, sich D. Faustus oft[269]mals aufgehalten, welchen auch dieser Juncker in grossen Wehrt gehalten.

Es begab sich aber auf einen Tag, daß D. Faustus einem andern zu gefallen war nacher Prag verreiset, dieser Juncker aber begieng seinen Namens-Tag, worzu er denn etliche gute Freunde, allesamt gute Gönner deß D. Fausti, beruffen; diese nun waren bis in die späte Nacht recht lustig und frölich, und wünscheten sämtlich nicht mehr, als daß nur ihr guter Freund Faustus darbey und gegenwärtig wäre, sie wolten noch frölicher seyn, u.s.w.

Einer aber unter ihnen, so bereits einen guten Rausch hatte, nam ein Glas mit Wein, streckte das mit der Hand in die Höhe, und sprach: O guter Gesell Fauste, wo steckest du jetzund, daß wir deiner also müssen entberen, wärest du allhier, wir wolten ohne Zweiffel etwas von dir sehen, das unsere Frölichkeit vermehren würde; weiln es aber für diesesmal nicht anderst seyn kan, so will ich dir dieses in Gesundheit der Compagnie gebracht haben: kan es aber seyn, so komme zu uns, und saume dich nicht: darauf er einen Jauchzer gethan, und das Glas ausgetruncken.

Nach etwan einer Viertelstund pochet jemand an die Hausthür gar starck: ein Diener laufft an das Fenster zu schauen wer da wäre, da stiege eben D. Faustus von seinem Pferd ab, führte solches bey dem Zügel, und gabe sich dem Diener, der die Thür eröffnen wolte, zu erkennen, mit Bitte, dem Junckern und gesamten Gästen zu sagen, wie nun dieser zur Stelle und gegenwärtig wäre, den sie allesamt so sehr verlanget hätten.

Der Diener voll Erstaunen laufft eilends, und [270] zeiget[300] solches dem Junckern und gesamter Compagnie an, diese lachen und sagen ob er thöricht oder voll Weins wäre? er sehe vielleicht durch die Brillen, und habe das Plerr? D. Faustus seye ja verreiset, und könne nicht über die Mauren herfliegen, er werde es nicht, sondern ein anderer seyn.

Indessen klopffet Faustus noch einmal starck an, daß also der Juncker genöthiget ward von der Tafel aufzustehen; er sahe aber kaum recht zum Fenster hinaus, da name er deß D. Fausti bey dem Mondenschein gewar, und gabe also deß Dieners Anbringen Glauben: alsbald war die Thür eröffnet, D. Faustus aber von allen freundlich empfangen; dessen Pferd durch den Knecht in den Stall geführet und gefüttert wurde.

Die erste Frag war, daß die gesamten Gäste zu wissen verlangten, wie er doch so bald, und eher sie sich dessen versehen hätten, von Prag wieder käme? er antwortet kurtz hierauf, da ist mein Pferd gut darzu. Weilen mich die sämtlichen Herren so sehr da zu seyn gewünschet, mir auch zum öfftern mit Namen geruffen, hab ich ihnen willfahren, und bey ihnen allhier erscheinen wollen, wiewol ich nicht lang zu verbleiben habe, sondern bey anbrechendem Tag, der angefangenen Geschäffte wegen, wiederum zu Prag seyn muß; worüber sie sich denn insgesamt nicht genug verwundern kunten: fingen in zwischen das Spiel wieder an, wo sie es gelassen, waren frölich, gutes Mutes, darbey nun auch D. Faustus das Seinige thun wolte, spricht derowegen zu den Gästen: ob sie nicht auch einmal von fremden und ausländischen Weinen einen Trunck versuchen möchten, es wäre gleich ein Reinfall, Malvasier, Spanisch- [271] oder Frantzen-Wein? worauf sie bald mit lachendem Munde sprachen: Ja ja, sie seynd alle gut.

Zur Stund heischet oder fordert D. Faustus von dem Diener einen Borer, fähet an auf die Seiten der Tafel oder Tischblats vier Löcher nach einander zu boren, verstopfft solche mit vier Zäpfflein, und heist ihm alsdenn ein paar schöner Gläser schwäncken und herbringen, da diese zugegen, ziehet er ein Zäpfflein nach dem andern aus; da sprangen obbemeldte Weine heraus in die Gläser, dessen sich die Gäste höchlich verwunderten, lachten und waren recht guter Dinge, versuchten auch die Weine, und genossen derer auf Zusprechen und Versichern[301] Fausti, daß es natürliche Weine wären, mit grosser Begierde.

In währender solcher Kurtzweil, nach Verfliessung dreyer Stunden, kommt deß Junckern Sohn, der spricht zum D. Fausto: Herr Doctor, wie muß man das verstehen, euer Pferd frist so unersättlich, daß der Stallknecht betheuret, er wolte wol zwantzig Pferd mit dem, das es bereits gefressen hat, füttern, noch gleichwol will dieses alles nicht glecken, oder helffen; ich glaube der Teuffel fresse aus ihm, es stehet noch immer und sihet sich um, wo mehr sey.

Dieser recht ernstlichen Wort, wie sie der Mensch vorbrachte, lachten sie alle, aber Faustus noch mehr, der darauf antwortete, und sprach zu ihm, er solte es nun dabey verbleiben lassen, das Pferd hätte diese Art, hätte vor dieses mal genug gefressen; denn sonsten würde er wol allen Habern auf dem Boden hinweg fressen, wenn man seinen unersättlichen Magen füllen wolte. Es war aber [272] dieses unersättliche Pferd sein Geist Mephostophiles.

Mit solchen und dergleichen andern Kurtzweilen brachten sie gar die Nacht hin, daß der frühe Morgen bald begunte anzubrechen, da thäte D. Fausti Pferd einen hellen lauten Schrey, daß man es in dem gantzen Haus hören mochte. Nun, sagt alsbald D. Faustus, bin ich citiret, ich muß fort, und wolte also Abschied nemen, aber die Gäste hielten ihn auf, da machte er an seinen Gürtel einen Knoten, zu einem Andencken, und sagte ihnen noch ein Stündlein zu, nach verflossenem diesen aber, fieng das Pferd abermal an zu wiehern, da wolte er kurtzum fort, liesse sich doch erbitten, weiln er von einigem magischen Stuck zu erzehlen angefangen, noch ein halbes Stündlein zu verbleiben; nach dieses Verstreichung, thäte das Pferd den dritten Schrey, da wolte sich Faustus nicht länger aufhalten lassen, name seinen Abschied von ihnen allen, die sich denn gegen ihm, deß so unverhofften Zusprechens wegen, bedanckten, und ihm das Geleite bis zur Hausthüre gaben, da er denn auf sein Pferd saß, und immer die Schlossergassen hinauf ritte, bis zum Stadtthor, das noch nicht geöffnet ware, dessen aber ungeachtet, schwang sich sein Pferd mit ihm übersich in die Lufft, daß, die ihm nachsahen, ihn[302] bald aus dem Gesicht verloren. D. Faustus aber kam noch bey frühem Tage in sein voriges Logement, in der Stadt Prag.


Anmerckung.

I. In dieser angezeigten Histori fällt erstlich zu bedencken, daß man deß D. Fausti bey der Gasterey gedacht hat, und ihn gegenwärtig zu seyn gewünschet, unangesehen daß er zu Prag, [273] und also einen fernen Weg von ihnen gewesen, auch nicht müglich, daß er allda in so kurtzer Zeit hätte zugegen seyn mögen; gleichwol kommet er aus Geschwindigkeit seines Geistes dahin: aus welchem denn zu schliessen, daß weiln der Teuffel alles leichtfertige Geschwätz, Begehren und Wünschen der Compagnie gesehen und gehöret, er solches ihr Begehren seinem Bundsgenossen, dem D. Fausto, leichtlich und sobald werde hinterbracht haben: wie man ebenmässiges von Simone Mago schreibet, daß wenn der Käiser Nero gern hätte wissen wollen, was seine Hauptleute von ihm sagten, habe er solches von dem Zauberer Simone zu wissen begehret, welches er auch dem Käiser alsobald angezeiget. Dannenher nicht unbillich jemand fragen solte, ob denn der Teuffel alles wisse.

Ob nun wol deme also ist, daß der Teuffel bisweilen weiß, was zukünfftig ist, auch solches entweder selbsten, oder auch durch seine Werckzeuge, die Zauberer, wissen lässet; jedoch aber so weiß er nicht alles, und was er weiß, das darff er nicht sagen, wenns GOtt nicht haben will.

Der Teuffel und seine Werckzeuge, die Zauberer, wusten Pharaonis Traum nicht, wie zu sehen im 1. Buch Mosis im 41. v. 8. auch deß Königs Nebucadnezar nicht, Daniel. 2. v. 4. Bey der Verfolgung deß abtrünnigen zauberischen Käisers Juliani, haben sich die Christen in die Wälder verkrochen, welchen Ort der Käiser gern gewust hätte, sie alle zu fahen und umzubringen, hat auch zu dem Ende einen Geist ausgesendet. Als nun derselbe zu einem grossen Wald kommen, kehret er wieder um, und sagt daheim keine Antwort. Der Käiser aber will wissen wo die Christen wären? Der Geist spricht: ich hab nicht können fortkommen; denn die Leute thun so ein starckes Gebet, das hat mich verhindert, daß ich nicht hab weiter kommen können, Euseb. l. 5. de praepar.

Als Herr D. Luther im Jahr Christi 1521. von dem Reichstag von Worms kam, und in dem Heimziehen in dem Wald bey Eysenach aufgefangen, und auf das Schloß Wartburg auf Befehl Hertzog Friederichs von Sachsen geführet ward, daß er vor deß Käisers Acht und Verfolgung[303] sicher wäre, hat kein Warsager in Teutsch-oder Welschland, ob gleich viel darum ersuchet worden, durch seine Teuffels-Kunst wissen oder anmelden können, an welchem Ort Lutherus stecken möchte oder verborgen läge, bis Lutherus zu seiner Zeit selbst wieder hervor kommen. Diß machet, der Teuffel hat es nicht [274] gekonnt, und GOtt hat es nicht gewolt. Luth. Tisch-Reden, c. 9. f. 84.

In Westphalen war ein feiner ehrlicher Bauersmann mit seinem Weibe seßhafft, und lebte im friedlichen Ehstand. Dieser hatte auf eine Zeit sein Geldlein an kleiner Müntze in einer Schweinsblasen auf der Banck liegen, und war niemand in der Stuben als sein Weib, das Geld aber kommt hinweg; er fragt und suchet es, kan aber nicht wissen, wo es hingekommen. Daß ihm sein Weib solches nicht entwendet, war er versichert, daß es aber verschwunden, konnte er ihme nicht einbilden. In dieser Bestürtzung verlanget ihn zu wissen, wie es zugegangen, und wo das Geld hingekommen?

Solches zu erkundigen fragt er eine Zauberin, welche in dem nächsten Dorff mit ihrem Lügen-Kram viel Geldes verdiente. Diese sagt, daß er verziehen solte, sie wolte solches von ihrem Geist erkundigen: gehet darauf in den nächsten Stadel, und befragt sich mit dem Satan, der ihr antwortet: sie solte sagen, sein Weib hätte das Geld entwendet, und verzehre es mit ihrem Anhang, dem Pfaffen in dem Dorff; es wäre aber nicht also, sondern das Schwein hätte es samt der Schweinsblasen gefressen. (Daß dieses leichtlich seyn können, wird der glauben, welcher in Westphalen gewesen, und gesehen, daß Stuben und Stall der Orten nicht sonders unterschieden seynd.)

Dieses verhielte die Vettel dem Bauersmann, und sagte ihm, wie seine Ehebrecherin auch eine Diebin wäre, u.s.w. Es hatte sich aber (sonder Zweiffel aus GOttes Schickung) zu-getragen, daß ein armer Taglöhner in besagtem Stadel geschlaffen, und als die Hexe mit ihrem Poltergeist geredet, erwacht, und den Betrug verstanden. Dieser kame zu den betrübten und auf Rache bedachten Bauren, und erzehlte ihm, was er ungefehr vernommen; mit Beyrathen, der Bauer solte das Schwein schlachten, weil es vielleicht sonsten sterben würde, und dadurch erfahren, ob die Zauberin oder er die Warheit sagte.

Der Bauersmann erfreuet sich über solcher Zeitung, weil er sein Weib lieb, und nit Ursach hatte, sie in so bösen Verdacht zu halten: schlachtet alsobald das Schwein, und findet sein Geld in der Schweinsblasen, wie er solches verloren. Hierauf ergrimmet er über die alte Hexe, welche ihn leichtlich einen Todschlag hätte sollen begehen machen, und meldet der Obrigkeit dieser Zauberin trügliches Gewerb an, welche sie in Verhafft nemen, und nach Beglaubung der Anklage, lebendig[304] verbrennen lassen.

[275] Daß nun dieser Lügengeist nicht gewust, daß der Taglöhner in dem Stadel geschlaffen, welches er doch wissen können, ist gar vermutlich; denn er sonsten wol gedencken sollen, wie dieser seine Unglücks-Stifftung, indem er das ehrliche Weib und den Geistlichen im Dorff, um Ehr, Leib und Leben, ja den Mann in deß Henckers Hände bringen wollen, u.s.f. würde ruckgängig machen. Dn. Harsdörf. part. 6. Theatr. Tragic. Hist. 46.


II. Darnach und überdas wird auch in der Histori deß D. Fausti unersattlichen Pferdes gedacht, welches ebenmässig von andern Schwartzkünstlern erzehlet wird.

Von dem Thumpfaffen Antonio Moro schreibet man, daß als ein vornemer Abt nacher Halberstadt kommen, und in dem Closter seine Einkehr genommen, habe deß Abts Hofmeister im Stall ein schönes Neapolitanisches Pferd ersehen, welches er bey sich mehr als für 100. Cronen geaestimiret. Nach diesem nun, als solches der Hofmeister dem Abt hinterbracht, hatte er ein sonderliches Verlangen, welchem es auch Morus bey der Abreise verehret, der es denn mit grossen Freuden angenommen: aber es fraß sowol unterweges, als daheim und zu Hause, soviel, daß es nicht zu glauben war; wie denn deßwegen dem Moro dieses durch Schreiben zu erkennen gegeben, und hierauf seine Antwort und guten Raht zu wissen verlanget; deme aber der Schwartzkünstler Morus wieder zugeschrieben: es wäre gar kein Wunder, daß das Pferd viel frässe, weiln es ohne Zweiffel wisse, daß es einen reichen Herrn habe; so er aber je vermeinte, es frässe ihm zu viel Habern, so solte ers auf die Weyde schlagen.

Da nun dieses auch geschahe, hatte das Pferd inner wenigen Stunden bey die zwey Tagwerck Wiesen abgefressen, darob denn der Abt noch hefftiger erschrocken, und vermeinet, wenn er ein solch Pferd nur ein Jahr lang solte haben, es zehrete das gantze Clostereinkommen auf; schickte es derhalben dem Moro wiederum zu. Da aber dieser, deme es ist anbefohlen worden, auf das Pferd gesessen, und etwan auf den halben Weg kommen, ist das Pferd unter ihm verschwunden, und in die Lufft gefahren, mit höchstem Erstaunen dessen der es geritten. Und bey seiner Heimkunfft fande man alles, so man die gantze Zeit über an dem Pferd verfüttert, wiederum da und zugegen. Aus welchem denn der Abt leichtllich schiessen und ermessen kundte, was für eine Schalckheit ihme Morus mit dem Pferd bewiesen hätte.[305]

Quelle:
Pfitzer, Nikolaus: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß viel-berüchtigten Ertz- Schwartzkünstlers Johannis Fausti [...]. Tübingen 1880 [Nachdruck: Hildesheim, New York 1976], S. 300-306.
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