[276] Das acht-und-dreissigste Capitel.

D. Faustus verschafft durch seine Kunst, daß die blöckenden Kühe stille werden und verstummen.

[306] ES kame auf eine Zeit D. Faustus auch in die Stadt Hailbrunn, allwo er etliche Wochen lang gedachte zu verbleiben, und hatte seine Wohnung bey einem Burger, der Breunle genannt, der denn die kurtzweilige Possen und Abentheuer D. Fausti wol leiden mochte: zu diesem kamen auch andere gute Freunde und Bekandten, welche fast täglich mit einander zecheten und spieleten.

Auf einen Tag aber, nachdem D. Faustus einen guten Rausch getruncken hatte, und die gute Gesellschafft noch beyeinander war, triebe um die Abends-Zeit der Hirt die Kühe eben bey D. Fausti Wohnung vorbey, die hatten nun ihrer Gewohnheit nach ein grosses Geplerr und Blöcken, welches ihnen allen, sonderlich dem D. Fausto verdrießlich zu hören gewesen, der denn, als er zum Fenster hinaus gesehen, und wargenommen, daß deß Blöckens noch lang kein Aufhören seyn würde, zu der Compagnie gesagt, ich kan und mag diesem Blöcken der Kühe nicht länger zu-hören, sie machen mich vorhin ungedultig, was gilts, ich will ihnen solches vertreiben, daß ihr alle mit ein ander daran zu lachen haben werdet.

Alsobald verschaffet er durch Sprechung etlicher Worte, daß die blöckenden Kühe mit einander verstumten und stille wurden, ja allesamt die Mäuler aufgesperret hatten, und also nach ihren Ställen zu giengen; dessen denn die Compagnie sehr lachen [277] muste, die Viehmägde aber erschracken sehr darüber, und sprache je eine zur andern: Elß, Annel, hat deine Kuh auch ein aufgespertes Maul? auweh, was ist ihnen geschehen?


Anmerckung.

I. Zu wünschen wäre es freylich, daß er nur allein diese Kunst[306] gekönnt hätte und mit ihme also gestorben wäre; allein es bezeuget die Erfahrung, daß noch heutiges Tages solche böse Leute sonderbare Wörter und Segen erdacht, dardurch den Hunden, wie auch andern Thieren, die Mäuler zu stopffen, daß sie weder Bellen noch Beissen können, damit sie also ungehindert ihre Diebstücke ins Werck setzen mögen, welche Kunst den Räubern und Dieben sonderlich bekandt ist.

Jener vorneme Mann hatte einen Hund, welchen er darum, daß er bös, und mit Bellen und Anfallen der Leute gar ungestümm war, an die Ketten legen lassen. Zu diesem kommt ein bekandter, und der Zauberey halber sehr verdächtiger Mann, rühmet sich, der Hund könne ihn weder anbellen noch beissen, wenn er ihm gleich die Hände in den Rachen stosse, und spricht darauf einen fast lächerlichen Spruch, den der Herr leicht hören und verstehen können, mit halbleisen Worten murmelend, und hält drüber die Hand dem Hund hin in seinen Schlund, ist aber von demselben weder angebollen noch verletzet worden.

Als der Herr das gehört und gesehen, ist er drüber ergrimmet, und hat im Zorn zum Hund gesprochen: Hund, verrichte dein Amt Welches der Hund auch gethan, und diesen Hexenmeister also gebissen, daß er lange Zeit am Schaden zu artzneyen gehabt. Gvverb. vom Leut und Vieh besegnen p. 90.

Denn wenn man solch Gesind ängstiget, thun sie die Kunst wieder auf, und daran hat der Teuffel seine Kurtzweil.

Also kame auf eine Zeit eine Schäfer in eines Edelmanns Haus, einige Botschafft von seinem Junckern auszurichten. Es mag aber wol seyn daß der Schäfer Ursache zu Unwillen bekommen, jedoch aber sich dessen nicht dörffen mercken lassen, sondern saß in der Kuchen und frühstückte, seinen Weg wieder nach Hause zu nehmen; warffe indessen den Jagdhunden, so [278] eben dazumal in der Kuchen umlieffen, etliche Bissen Brod dar, und sprach darzu: nun fangt mir Hasen.

Der Edelmann ritte aus auf das Jagen, wie es denn seine fast tägliche Gewonheit war; aber er muste sehen, daß das Windspiel die Hasen mit dem Maul überwarffe, jedoch keinen fassen kundte. Er klagt solches zu Hause, da erinnerte sich die Köchin der Wort deß Schäfers. Der Edelmann reitet ihm zugefallen, findet ihn auf dem Feld, zucket sein Pistol, der Diener ingleichen, der Schäfer solte sterben: da thäte er die Kunst auf; und hätte der Edelmann nicht alsobald auf demselbigen Feld einen Hasen gefangen, solte der Diener, der annoch bey dem Schäfer hielte, ihm den Buckel lausen so lang, bis dem Windspiel geholffen würde.

Ich weiß mich zu erinnern, schreibt erstgedachter Gvverb, daß Anno 1619 ein reicher und geachteter Mann, in Beyseyn vieler ehrlicher[307] Leute sich nicht gescheuet zu rühmen, er wolle einem Ochsen nur ein oder zwey Wort in ein Ohr sagen, so müsse er von dannen in eine nächst dabey gelegene Stadt (war ungefehr fünff Stund Weges) oder an das Ort wohin man wolle, ohne einigen Treiber, seine Straß für sich gehen, für das Haus das man ihm nennen oder bestimmen werde, und sagte darbey, man solte dem Ochsen ein Kind zugeben, das den Weg nicht wüste, und auch nie gegangen seye, so werde dasselbig Kind mit dem Ochsen dahin kommen und denn der Sach Zeugniß geben können, daß es also ergangen sey.

Daß aber solches gebürlich und natürlich zugehe, wird niemand mich bereden können, aber wol, daß eines wie das ander, durch Hülff und Mitwürckung des Teuffels verhandelt werde, u.s.w.

Grillandus meldtet qu. de Sortileg. n. 3. daß zu Papst Hadriani deß Sechsten Zeiten ein Beschwörer, so ein Griech, zu Rom einen wilden Ochsen beschworen, daß er sich an einen kleinen gedreheten Faden gedultig führen lassen, in die vier oder fünff Meil wegs.

Silius Italicus schreibet von einem solchen Beschwörer, Namens Harcalo, welcher die grimmigen Löwen beschwören können, daß sie nicht schaden, sondern er sie unverletzt angreiffen mögen.


II. Darnach und fürs andere, gehöret hieher auch das Schlangenbeschwören und bannen, daß sie ihren Gift und Wut fahren lassen, von einem Ort zum andern weichen, oder zusammen kommen müssen Dieses Beschwören aber ist ein recht [279] Hexen-, Zauber- und Teuffelswerck, es geschehe gleich welcher Gestalt es wolle. Massen denn unter die neun unterschiedene Species und Arten der Zauberey, von Gott dem HErrn die Beschwörer mit Namen gesetzet worden, wie zu sehen im 5. B. M. 18. v. 10. 11. Ingleichen da der König und Prophet David im 58. Ps. v. 6. der Schlangenbeschwörer gedencket, da nennet er sie Zauberer. Uber welche Wort deß Psalms also Herr Joh. Henr. Ursinus glossiret: die alte Zauberer, spricht er, haben ihre Segen gehabt, damit sie den Schlangen das Maul gehemmet, oder gar zerreissen können, daß sie nicht haben stehen mögen.

In ihrem Hebammen-Buch erzehlet die Fr. Louyse Bourgeois, p. 179. eine denckwürdige Geschicht, die sie von einem glaubwürdigen Mann gehöret, welcher betheuret, daß solches die Warheit, und ers mit seinen Augen gesehen hätte, nemlich, als er zu Straßburg gewesen, wäre er verständigt worden, wie zwey Meil weges von dannen auf einem Dorff ein Weib wäre, deren Mann als er im Weingarten gehackt, hätte sie das Gras oder Unkraut vor ihm heraus rauffen müssen. Damit sie nun dieser Arbeit desto besser abwarten möchte, hat sie ihr Kind mit ihr hinaus genommen, und als sie dieses gesäuget, hätte sie[308] solches auf ein Küssen geleget, und schlaffen lassen, sie aber wäre indessen mit ihrer Arbeit fortgefahren.

Eines Tags begab sichs, daß ihr Kind aus dem Schlaff erwachte; damit sie nun solches stillen und wieder einschläffen möchte, gabe sie ihm zu trincken, und in dem Säugen entschlieff sie zugleich. Und als in dem Schlaff die Brustwartzen dem Kind aus dem Mund kam, und ihr solcher Gestalt der Busen eröffnet und die Brüste entblösset blieben, ist ihr dieses nicht geringe Unheil begegnet: denn eine Schlang schliche sittiglich herbey, ergriffe solche Brustwartzen der Frauen, und fieng an zu saugen, und weiln sie vielleicht niemaln so lieblich Ding geschmecket hatte, name sie ihr vor, solche nicht sobald zu verlassen.

Als aber das arme Weib erwachte, und diese Bestien an der Brust hangen sahe, ist sie dermassen erstaunet, daß sie für Schrecken möchte gestorben seyn. Sie schrye zwar ihrem Mann zu, aber als der herbey kame, und diß Spectacul ersahe, ist er darüber nicht weniger erschrocken als das Weib. Doch name er das Kind, und führte die arme erschrockene Frau mit sich heim nach Haus, und dorffte ihrer keines das lose Thier anrühren.

Er ließ einen Medicum holen, einen feinen gelehrten Mann, der wandte allen müglichen Fleiß an, und gebraucht [280] viel Mittel, diesen ungebettenen Gast abzutreiben; letzlich auch, da er sahe, daß die äusserliche Mittel nichts verfangen wolten, ist er zu Raht worden, dem Weib solche Sachen einzugeben, die die Milch ändern, und den süssen Geschmack in bitter verwandeln solten: allein man thate was man wolte, ists doch unmüglich gewesen, dieses böse Thier dahin zu bringen, daß es die Wartzen fahren liesse.

Man hatte sich zu befahren, solte man solchem etwas Leides thun, daß es die Frau beissen, und das Gifft ihr in die Brust schiessen möchte, zu ihrem ungezweiffelten Verderben. Also hat diß arme Weib diese Bestien, gleichsam angehefftet, wol in die zehen Monat herum tragen müssen; welche Zeit über die Schlang so lang und dick worden, und dermassen zugenommen, daß sie solche in einer Handzwehlen am Hals tragen müssen. Die Milch, welche sonsten den beyden Brüsten zugelauffen, hat sich allein zu dieser gewandt, daran die Schlang erstmals zu saugen angefangen.

Wie nun gantz und gar das arme Weib der Schlangen nicht los kommen können, ist sie endlich beredet worden, zu einem Schlangen-Beschwörer zu gehen, mit Namen Barillet, welcher ihr verheissen, er wolte ihr dieses unangenemen Gastes eher denn inner einer Viertelstund abhelffen, ohne einigen ihren Widerwillen und Schaden: hierauf hieß er sie einen Trunck Wein thun, und ein wenig ruhen. Unterdessen[309] macht er einen Creiß, fieng darnach an etliche gewisse Wort zu sprechen; alsobald kamen drey oder vier andere Schlangen, welche er unter seinem Tisch zu ernähren pflegte, hervor, und giengen in den Creiß: der Beschwörer fuhr fort, und sagte wiederum etwas, darauf die, so der Frauen so lang an der Brust gehangen, dieselbe verlassen, und mit den andern zugleich herum gesprungen.

Der Mann so sie beschworen, ergriffe sie, steckte ihr ein Stücklein Scharlach in den Rachen, brache ihr darnach die Zähne aus: die gute Frau, nachdem sie sich dieses schnöden Gasts entlediget befunde, und dieses alles sahe, machet eilends ihren Busen zu, und wolte darvon lauffen. Aber der Beschwörer hielte sie auf, und versicherte sie, daß die Schlang ihrer nicht mehr begehren würde, sondern sie müsse sich mit den andern an ihren geweisten Ort hin begeben.

Gleichwol ist auch dieses darbey zu mercken, daß solche Schlangen-Beschwörer und Zauberer zu weilen durch eben [281] die gebannten Schlangen und Nattern, Schaden nemen oder wol gar umgebracht werden, wie unter andern Bodinus, Daemonom. Teutsch, p. 87. eines solchen gedencket, der sich zu Saltzburg aufgehalten, und sich offtmals erboten hat, er könte und wolte alle Schlangen in der Nähe auf eine Meilweges in eine Gruben zusammen bringen, und tödten.

Wie er sich nun solches eines Tags unterstehet und eine unzählige Menge der Schlangen zusammen kommen waren, da findet sich zu letzt eine alte und grosse Schlange: wie er diese nun auch in die Grube zaubern will, widersetzet sie sich, fähret auf, umringet und umfängt den Beschwörer, wie ein Gürtel, ziehet und schleppet ihn mit in die Grube, und tödtete ihn.

Aus welchem erscheinet, spricht ermeldter Bodinus, daß diß nicht durch Krafft der Wort, immassen von dem Wort Hypokindox Theophrastus Paracelsus ungescheuet geschrieben; noch auch der Wort aus dem ein-und-neuntzigsten Psalm, und anderer gebrauchter Characteren, verrichtet worden. Denn wie hätten die Schlangen eines Menschen Stimm auf eine Meile herum hören können? sonderlich weil sie tieff in der Erden versteckt liegen? derowegen so ist es nur deß Teuffels Werck, und die Schlange der Teuffel selbst gewesen, der auf solche Weise seinen Dienern pflegt zu lohnen.

Besser ist es mit seinem Beschwören ergangen jenem Legaten von Cypern, dessen Plinius gedencket, so Exagon geheissen. Dieser hat dem Raht zu Rom zu gefallen sich nackend ausgezogen, und in ein Faß lebendiger Schlangen werffen lassen, welche er alsobald beschworen hatte, daß sie ihn nicht können beschädigen, sondern haben ihn mit ihren Zungen gelecket, und also geschmeichelt.[310]

Quelle:
Pfitzer, Nikolaus: Das ärgerliche Leben und schreckliche Ende deß viel-berüchtigten Ertz- Schwartzkünstlers Johannis Fausti [...]. Tübingen 1880 [Nachdruck: Hildesheim, New York 1976], S. 306-311.
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