[129] Von den Jägern der Müllimatt
1825.
O Göttin, die du stets geleitest
Des Jägers Gang durch Feld und Wiesen,
Und gern das Hochgebürg beschreitest,
Die Blümlisalp und unsern Niesen,
Und allen stets dich hold erwiesen,
Die dir, des Städtelebens satt,
Auf wald'ger Berge Rücken huldigen:
Was zürnst du deinen ungeduldigen
Verehrern auf der Müllimatt?
Auf daß uns froh dein Auge nicke,
Dein heil'ger Grimm uns endlich schone,
Wie gerne lenkten wir die Blicke
Hinauf zu deinem höchsten Throne,
Zu jener keuschen Gletscherzone,
Die dir den Namen hat geraubt;
Doch Nebel ach! sich ewig häufende,
Von allen Seiten niederträufende,
Umwehn der Jungfrau Strahlenhaupt.
Wir ziehn dem Regenguß entgegen,
Und weihn dir manchen Tag und Morgen;
Doch keine Schnepfe will sich regen,
Und alle Hasen sind verborgen:
So kehren wir denn stets in Sorgen
Von mancher eitlen Fahrt zurück,
Die Müh und Schweiß genug uns kostete,
Und unsre Flinte, die verrostete,
Ersehnt umsonst ihr altes Glück.
Zwar läßt sich Manches in den Lauben
Der schönen Müllimatt erwerben:
Bei holden Fraun, beim Saft der Trauben,
Beim Duft so vieler Blumenscherben,
Hier ließe leben sich's und sterben;
Doch, Göttin, sieh, zur dir nur schaun
Wir hoffend auf, zu deinen luftigen[130]
Und wilden Höhn von diesen duftigen
Gewächsen, diesen schönen Fraun!
Laß dich von unserm Flehn erweichen,
Und sei mit uns in diesen Tagen:
Das Höchste wollen wir erreichen,
Die pfeilgeschwinde Gemse jagen;
Es wird uns kein Gewehr versagen,
Wenn du uns schützen willst, o du!
Sei gnädig unserer Verwegenheit,
Erspähe selbst uns die Gelegenheit,
Und jag uns alle Gemsen zu!
Und wenn du uns vor Schmach mit diesen
Geschenken deiner Gunst gerettet,
So möge dir am Rand des Niesen
Auf Alpenrosen hingebettet,
Erscheinen was dich ewig kettet:
Auf daß du senkst den Wagenthron,
Erscheine dir ein hingesunkener,
Von Lieb und Wein und Schlummer trunkener,
Ein schnarchender Endymion!
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