Von dem Namen Jesu

[259] Nicht gnug, o Jesu, war es dir,

Daß du ins Elend kamst zu mir

Und nahmest an mein Fleisch und Blut;

Dein Nam' auch kömmet mir zu gut,

Dein lieber Name, der allein

All was ich wünsche schließet ein.


O unvergleichlich' Huld und Gnad

Die mich so hoch beseligt hat,

Ach ja, beseligt, denn was deut

Dein Name sonst, als Seligkeit?

Gedenk, wie du mich denn erfreust,

Wenn man dich einen Jesum heist.


Mein Name heist ein Kind der Sünd'

Und deiner heist ein Gnaden-Kind,

Ich heiß ein Knecht der Nichtigheit

Und du ein Herr der Herrlichkeit,

Ich heiß des Todes Eigenthum

Und du des Lebens Fürst und Ruhm.


Dein Nam geht über alle weit,

Der hat uns, eh die Welt bereit,

Zu seinem Antheil außerwehlt,

Der ist in unserm Geist beseelt,[259]

Der zieht uns aus der Mutter Grab

Und wäscht die erste Schuld uns ab.


Der ist, der unsre Stirn bemerkt

Und unser Hertz mit dir bestärkt,

Er ist, für den der Trauer-Geist

Erschrecket und sich von uns reist,

Ja, welcher unsern Tod belebt

Und zu dir auß der Erden hebt.


O Wunder-Nam, o seltne Krafft,

Die in nur zweyen Sylben hafft,

Auff welchen bloß all unser Gut

Wie auff den stärksten Seulen ruht,

Nicht anders als wie sich die Welt

An ihren beyden Polen hält.


Der Ewigkeiten höchster Ruhm,

Der Zeiten einigs Heiligthum,

Der Himmlischen ihr Paradies,

Der Irrdischen ihr Lebens-Fließ,

Der Engel stetes Lob-Gedicht,

Der Menschen Wonne, Schmuck und Licht.


Der Armen ihr erwünschtes Gut,

Der Traurigen ihr Trost und Muth,

Der Glaubens-Kämpffer Ehren-Kron,

Der Abgematten süßer Lohn,

Der Kranken ihr Erlösungs-Boot,

Der Sterbenden ihr Todes-Tod.


Dies Alles, Jesu, ist dein Nam,

Der vor dir her von oben kam

Und dir der Jungfraun Schooß bereitt,

Eh deine Gottheit ihn bekleidt,

Gleich wie die schöne Morgenröth

Vor ihrer schönern Sonnen geht.


Ach selger Name, meine Freud,

Sey mir auch meine Seligkeit!

Ich bin ein Sünder, sprich mir du,

Mein Jesu, daß du Jesu, zu,[260]

Hab' ich dies einge Wort nur ein,

So ist der gantze Himmel mein.


Bename mich mit dir, mein Heyl,

Und gib auch meinem Namen Theil

In deinem Buch an jenem Licht,

Sonst such' ich keinen Namen nicht;

Weg alle Titel von der Welt,

Wenn dort mein Name Platz behält.


Wie aber kömmt es, Himmels-Fürst,

Daß, gleich wie du benamet wirst,

Du schon dein Blut vergießen must?

Dies zeigt mir meinen Sünden-Wust,

Und daß ich sonder Kreutz-Beschwerd

Mit dir hie nicht benamet werd.


Wol, Liebster, wol, es sey also,

Ich duld' es gern und leide froh,

Du köntest sonder Todes-Pein,

O Jesu, nicht mein Jesus sein;

Ach, wenn ich, dein erlöster Knecht,

Auch deinetwegen sterben möcht!

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 30, Stuttgart [o.J.], S. 259-261.
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