Die Fliege im Flugzeug

[401] Ich war der einzige Passagier

Und hatte – nur zum Spaße –

Eine lebende Fliege bei mir

In einem Einmachglase.


Ich öffnete das Einmachglas.

Die Fliege schwirrte aus und saß

Plötzlich auf meiner Nase

Und rieb sich die Vorderpfoten.

Das verletzte mich.

Ich pustete. Sie setzte sich

Auf das Schildchen »Rauchen verboten«.


Ich sah: Der Höhenzeiger wies

Auf tausend Meter. Ha! Ich stieß

Das Fenster auf und dachte[401]

An Noahs Archentaube.

Die Fliege aber – ich glaube,

Sie lachte.

Und hängte sich an das Verdeck

Und klebte sehr viel Fliegendreck

Um sich herum, im Kreise,

Unmenschlicherweise.


Und als es dann zur Landung ging,

Unser Propeller verstummte,

Da plusterte das Fliegending

Sich fröhlich auf und summte.


Gott weiß, was in mir vorging,

Als solches mir durchs Ohr ging.

Ich weiß nur noch, ich brummte

Was vor mich hin. So ungefähr:

Ach, daß ich eine Fliege wär.

Quelle:
Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Band 1: Gedichte, Zürich 1994, S. 401-402.
Lizenz:
Kategorien: