Der vierter Auffzug.

[179] Teutschland / Friede / Merkurius.


TEUTSCHLAND. Nun wolan / diese Pillen sind verschlukket / GOtt gebe / wie sie mir auch werden bekommen. Jch habe in Wahrheit eine sehr gefährliche Sache gewaget; Denn / bin Jch nicht ein schwaches / krankes / zerschlagenes und verwundetes Weibesbild und unterstehe mich nichtes desto minder so vielerlei Leibes und Gemühtes Gebrechen endlich mit Heuchelpillen zu vertreiben? Das mag wol ein seltzames Beginnen heissen! Aber / Jch fühle schon / wie sie anfahen zu würken / sie zerreissen mir den Leib / den Magen / das Eingeweide und alle Gedärme dermassen greulich / daß Jch fast vor Angst nicht weis / wohin Jch mich sol wenden. O Ratio Status du Ehrloser Landbetrieger / was hast du mir vor eine gifftige Artznei in den Leib geschwätzet? Ja warlich / es muß wol ein strenges Gifft seyn / es wäre sonst unmüglich / daß sie mich so hefftig quählen könten. Ach Ratio Status, wie wird mir doch so grausahm wehe nach deinen verfluchten Heuchelpillen / das Hertz wil mir schier gahr in stükken zerbrechen. Teutschland wil sich gern erbrechen / rültzet mit dem Halse / ächtzet und thut sonst sehr übel. Ach! nun muß Jch endlich gahr erstikken und verderben / der kalte Schweis bricht mir schon aus / hören und sehen vergehet mir / Ach der verfluchten Heuchelpillen! Teutschland erbricht sich abermahl hefftig / wird endlich gantz stille / lieget / als wenn es nun gäntzlich wäre gestorben.

FRIEDE. Es ist nunmehr eine geraume Zeit verflossen / daß Jch mich das letste mahl auff dem sündhafften Erdbodem / wo lauter Ungerechtigkeit und gottloses Leben wohnet /sonderlich aber bei dem damahls glükseligen / reichem und ruhigem Teutschlande habe finden lassen. Aber / Ach was kläglicher Zeitung habe Jch von dem erbärmlichen Zustande[180] dieser so grossen Königinn vernommen! Ja / solte es wol müglich seyn / das eine solche mächtige Fürstinn fast aller Jhrer Gühter / Kleider / Geldes und Kleinohter beraubet / dazu verhönet und geschmähet / zerschlagen und verwundet / ja so gahr biß auff den Tod verletzet / in armen Betlerslumpen solte umher kriechen und bei jedermänniglich so gahr unwehrt seyn / daß auch nunmehr die Buben auff der Gassen Jhrer spotten? O Teutschland / Teutschland / wohin ist es doch mit dir gerahten? das heisset: Jage den edlen Friede von dir / verspotte die alte Teutsche Redligkeit / setze dein Vertrauen auff fremde Völker und laß dich die schändliche Wollust einzig und allein führen und regieren. Aber was sehe Jch dort an jenner Ekken liegen? Es scheinet fast als wenn es ein Mensch wäre Gehet näher hinzu. Ja wahrlich es ist ein Mensch. Hilff ewiger Gott / die ist erbärmlich zugerichtet / die siehet jämmerlich aus. Sie ergreiffet Teutschland bei der Achsel rüttelt und schüttelt sie / sprechend. Wer bist du Weib?

TEUTSCHLAND. Eine elende / hochbetrübte Kreatur.

FRIEDE. Sage an / was fehlet dir denn?

TEUTSCHLAND. Friede.

FRIEDE. Ja liebes Weib / Jch bin der Friede / Aber Jch frage / was dir mangele?

TEUTSCHLAND. Friede.

FRIEDE. Ja / Ja / meine Freundinn / Jch heisse der Friede /Aber wornach seufftzest du doch so gahr ängstiglich?

TEUTSCHLAND. Ach / nach dem lieben Friede![181]

FRIEDE. Jch bitte dich armes Weib / sage mir nur deinen Namen / wer du bist?

TEUTSCHLAND. Ach! Ach! Ach! Jch bin Teutschland / Teutschland / Ja gewesen!

FRIEDE entsetzet sich hefftig. Bist du Teutschland? O du barmhertziger GOtt / wer hat dich doch so erbärmlich zugerichtet / wer hat dich so jämmerlich zerschlagen?

TEUTSCHLAND richtet Jhr Haupt ein weinig auff. Ach! das haben meine Freunde und Feinde / ja meine eigene Kinder / Unterthanen / Knechte und Landesleute gethan. Aber wer bist du / die du so freundlich mit mir redest?

FRIEDE. Jch bin der Friede. Wie Teutschland? kennest du mich denn gahr nicht mehr?

TEUTSCHLAND kriechet auff Händen und Füssen herzu / wil den Frieden ümfangen. Ach du Allerwehrteste Freundinne meiner Seelen / sei mir zu hundert tausend mahlen wilkommen / O du edler / O du süsser / O du güldner Friede!

FRIEDE springt schleunig zu rükke und spricht. Enthalte dich noch ein weinig du übel zugerichtetes Teutschland / es ist noch viel zu früe den Frieden dergestalt zu umfangen.

TEUTSCHLAND. Ach / du theurer Friede / warum mag Jch dich nicht umfangen?

FRIEDE. Nein Teutschland / der Allerhöhester GOtt hat mich zwahr hergesendet / dir in deinem itzigen hochbetrübten[182] Zustande einen gnädigen Blik zu ertheilen / mit nichten aber meine beständige Wohnung bei dir zu nemen / angesehen Jch annoch nicht kan wissen / wenn meine rechte Zeit und Stunde werde kommen.

TEUTSCHLAND. Ach Friede / du allerhöhester Schatz auff Erden / dein blosses zusprechen beginnet mir wahrlich schon neue Kräffte zu ertheilen. Ach / dein göttliches Angesicht erquikket mir in meiner grossen Schwachheit Hertz / Seele und Leben.

FRIEDE. Ja Deutschland / kanst du nun mit der Zeit erkennen /was vor ein edler / ja himmlischer Schatz der liebe Friede sey?

TEUTSCHLAND. Ach Ja / wie solte Jch Unglükselige das nicht erkennen können? Jch habe es ja nunmehr mit meinem unüberwindlichen Schaden allzuwol gelernet. Ach / müchte Jch dich nur einmahl wieder ergreiffen und umhalsen! Merkurius tritt auff. Ach / Ach Friede / du allerwehrteste vergnügligkeit meines Hertzen / müchtest du doch ewig wiedrum bei mir wohnen!

FRIEDE. Nein Teutschland / du must dich noch eine Zeitlang enthalten / denn Jch sol und darff den Willen GOttes meines HErren nicht wiederstreben. Aber siehe da komt unser Merkurius / was mag uns der guhtes neues bringen?

MERKURIUS. Nunmehr halte Jch / werde Jch den begehrten Ohrt fast erreichet haben / den ungefehr in dieser Gegend / (wie man mich hat berichtet) sol sich das elende Teutschland aufhalten. Aber / was sehe Jch? Stehet nicht da der Friede? Ja / sie ist es / denn vor weinig Tagen hat Jhr die Göttliche[183] Barmhertzigkeit einen Befehl ertheilet / daß sie sich von dem Friedenthron des Himmels hinunter auff das Erdreich verfügen und dem hochgeplagten Teutschlande einen frölichen Gnadenblik sol ertheilen. Jch muß hin zu Jhr gehn: Glük zu hertzliebe Schwester / bist du schon hie?

FRIEDE. Sei mir von gantzem Hertzen wilkommen Merkuri / mein liebster Bruder / hie stehe Jch bereits und rede mit dem elenden und erbärmlich zerschlagenem Teutschlande.

MERKURIUS erschrikt. Was sagest du Friede / ist das Teutschland? Jst das die mächtigste Königinn / vor welcher alle Welt sich muste fürchten? Jst das die Bezwingerinn so vieler tapferen Völker? Die Beherscherinn so grosser und fruchtbarer Länder? Die Besitzerinn solcher unermäßlichen Schätze? Die Erfinderinn so vieler herrlichen Künste und Wissenschaften? Jst das Teutschland? Ach GOtt / wie ist doch so gahr nichtes beständiges auff dem Erdbodem! wie kan sich doch alles so plötzlich und wunderlich verkehren!

FRIEDE. Ja freilich liebster Merkuri mag man sich über solche erschrekliche Verenderung dieser hochmächtigsten Königinn größlich verwunderen. Wer solte es wol jemahls gedacht haben / daß es mit dem prächtigen Teutschlande endlich dahin würde gerahten?

MERKURIUS. Du sagest wahrlich recht lieber Friede / Aber Jch komme eben zu gelegener Zeit / die weil auch Jch durch Himlischen Befehl bin anhero gesendet / Teutschland den göttlichen Willen vorzutragen.

TEUTSCHLAND. Ach Merkuri / bringe mir doch einmahl guhte und fröliche Bottschafft / denn der traurigen habe Jch leider ohne das genug.[184]

MERKURIUS. Ja Teutschland / es dienet wahrlich alles zu deinem eigenem besten.

TEUTSCHLAND. O wolte wolte GOTT / daß Jch doch einmahl aus diesem grausamen Elende würde erlöset!

MERKURIUS. Das kan und wird zu seiner zeit wol geschehen Teutschland / du must dich aber erstlich zu rechtschaffener wahrer Busse bereiten.

TEUTSCHLAND. Ach Merkuri / sol Jch noch härter bühssen / als Jch nunmehr fast gantzer dreissig Jahr her gethan habe?

MERKURIUS. Eben das ist es Teutschland / was ich sage: Du bist annoch biß auff diese gegenwertige Stunde hartnäkkicht und verstokket / du begehrest dein Unrecht noch nicht einmahl zu erkennen / deine tödliche Krankheiten Leibes und der Seele wilt du mit Heuchelei heilen / welches is doch nichtes anders ist / als ein brennendes Feur mit Oel und Schwefel dämpfen wollen. Du beklagest dich zwar ohne unterlaß über die vielfältige Straffen / die dich von tage zu tage so grausahmlich überfallen; Aber von denen erschreklichen Sünden und deiner übermachten Bößheit /damit du diese Züchtigung veruhrsachet und dir selber muhtwilliger weise solche auff den Hals gezogen / wilt du gar nichtes wissen / was ist es denn wunder / daß der Mars samt seinen beiden Schwesteren dem Hunger und der Pest biß auff diesen Tag nicht auffhören dich jämmerlich zu quählen und zu marteren.

TEUTSCHLAND. Ach Merkuri / gib mir doch einen einzigen guten Raht / wie das Werk recht anzugreiffen / damit[185] Jch endlich von diesem unaußsprechlichem Jammer müge erlöset werden.

MERKURIUS. Ja Teutschland / dasselbe thu Jch hertzlich gern / denn solches erfodert mein Amt und Gebühr / wolte Gott / Jch könte dein hartes Hertz nur dergestalt erweichen / daß du dein Unrecht erkennen und durch ernstliche Reu und Leid über deine unzehliche begangene Missethaten / zu deinem GOTT und Schöpffer dich wiedrum wenden woltest. Siehe Teutschland / da stehet der Edler Friede / welchen der allergühtigster GOtt vom Himmel hat gesendet / dir in deinen höhesten Nöhten einen Freudenblik zu geben / dabei wil Er nun erkennen / ob du solche hohe Gnade auch mit einem demühtigen und dankbaren Hertzen annehmen und dich dermahssen bußfertig wollest erzeigen / daß die Göttliche Barmhertzigkeit ferner würde bewogen / den güldenen Friede dir völlig wiedrum zu schenken und dich seiner süssen Früchte / nach so vielen außgestandenen Trübsalen hinführo gemessen zu lassen. Dieweil du aber leider bleibest / die du jederzeit bist gewesen / nemlich ein hartnäkkiges / verstoktes und bößhafftes Weib / welches zwahr den Frieden gern bei sich behalten / aber jedoch dabei in Jhren gewöhnlichen Untugenden und sündhafftem Leben wil verharren; Siehe / so hat mich GOTT / der aller Menschen zeitliche und ewige Wolfahrt so hertzlich suchet / itz abermahl zu dir geschikket / und lasset dir andeuten / daß / im falle du nicht ernstliche / wahrhaffte und rechtschaffene Buhsse wirkest / dieser des wehrten Friedens Gnadenblik uhrplötzlich von dir genommen und du mit noch vielem grösserem Trübsahl und Elende / als dir jemahlen ist wiederfahren / häuffig sollest überschüttet und biß auff den tieffesten Abgrund verderbet werden / hiernach Teutschland solst du dich zurichten wissen.[186]

TEUTSCHLAND. O wehe / wehe Merkuri / das ist eine sehr harte Bottschafft.

FRIEDE. Nein / Teutschland / es ist eine gnädige Bottschafft / GOtt erbeut sich alles guhten gegen dir / wenn du dir nur selber deine eigene Wolfahrt wilt etwas angelegen seyn lassen.

TEUTSCHLAND. Ach lieber / sagt mir es doch denn / wie sol Jch es ferner anfangen?

FRIEDE. Buhsse / Buhsse solt und must du thun im Sakke und in der Aschen / dafern du meiner erfreulichen Gegenwahrt zugemessen begehrest.

TEUTSCHLAND. Ach / daß es Gott erbarm / sol Jch denn noch mehr bühssen! Wisset Jhr denn nicht / das meine Länder verheeret und verzehret / daß meine beste Mannschafft erwürget / daß Weiber und Jungfrauen geschändet / die kleine Kinderlein mit Füssen getretten / Städte / Flekken und Dörffer verbrennet / viel Millionen / reiche und arme / kleine und grosse / junge und alte meiner Unterthanen durch Schwehrt / Pest und Hunger auffgerieben und schließlich Jch armes Weib dergestalt bin zugerichtet / daß Jch fast keinem Menschen mehr ähnlich sehe / Ach! frage Jch abermahl / sol Jch denn noch härter bühssen? das ist ja gahr zu elend!

MERKURIUS. Und eben darum solt du Buhsse thun liebes Teutschland / dieweil du bißhero noch nicht hast erkennen wollen / daß dir diese Straffen billig sind wiederfahren / wer / meinest du aber / daß der jeniger sey / welcher dich solcher gestalt hat heimgesuchet und gezüchtiget?[187]

TEUTSCHLAND. Wer solte es anders viel seyn lieber Merkuri als eben die jenige Völker / welche Jch gehauset und geherberget / gespeiset / gekleidet und ernähret und dadurch sehr vertrauliche Freund schafft mit Jhnen gemachet habe / wozu gleichwol meine eigene Unterthanen und Landsassen weidlich geholffen: Denn / ist nicht Mars mein Vasal, ja schier mein Leibeigener / und eben dieser hat nebenst seinen Untergebenen mich zum allerhefftigsten geplaget.

FRIEDE. O Teutschland / du irrest sehr weit / in deme du nemlich auff die Jnstrumental oder Werkzeuges Uhrsachen alleine siehest / und dabei nicht bedenkest / daß alle deine wolverdiente Straffen von der gestrengen Gerechtigkeit Gottes herrühren. Bilde dir ja nicht ein Teutschland / daß diese fremde Völker aus eigener Bewegnisse dich dermahssen übel haben zerhandelt / GOtt hat sie zu diesem seinem Zornwerke beruffen / GOtt hat es ihnen befohlen: Ziehet aus euren Länderen und Herr schafften / plaget Teutschland / schlaget Teutschland / verwundet Teutschland / beraubet Teutschland / Sind demnach diese fremde Völker in dir nichts anders als vollenziehende Werkzeuge des feurigen Zorns GOttes gewesen / darum wenn du diesen außländischen Nationen und nicht dir selber und deiner Bößheit die Schuld deiner außgestandenen Trübsahlen aus Ungedult zumissest / so murrest du in diesem falle wieder deinen GOtt / du mißhandelst wieder die jenige / welche dich auff desselben Befehl billig gezüchtiget / ja du redest wieder dich selber und dein eigenes Gewissen und bist in Wahrheit denen Hunden gleich / welche den jenigen lassen fahren welcher nach jhnen geworffen und wollen immittelst Jhren Zorn an dem leblosen Steine außwetzen.

MERKURIUS. Ach Ja liebe Schwester Friede / du redest die rechte teutsche Wahrheit / welcher kein vernünfftiger[188] Mensch mit guhtem fuge kan wiedersprechen. Dein Leben O Teutschland / welches auch der blinden Heiden Leben an Gottlosigkeit und verruchter Bößheit weit weit hat übertroffen / ist die einzige Uhrsache / daß alle diese Straffen über dich sind gekommen: Bedenke doch nur / wie du alle Teutsche Ehre und Redligkeit gleichsahm mit gewalt von dir gestossen und dich mit lauter neuen Politischen Strichen / falschen / unteutschen und unverantwortlichen Grieffen hast beholffen. Erwege nur bei dir selber wie stoltz und üppig du dich erwiesen / daß du auch die Alte / Teutsche / um das Vatterland wolverdiente Helden mit Schmähewohrten von dir getrieben / und / als Jch dir deine Untugenden nur ein weinig vorhielte / hast du mich / der Jch doch ein Diener / Mundbotte und Abgesanter des allerhöhesten GOttes bin / mit fluchen und schelten hinweg is gejagt. Den edlen Friede / die Mutter aller Glükseligkeit hast du muhtwilliger / ja gantz freventlicher weise von dir gestossen und von der verfluchten Wollust zu verbringung aller Schande und Laster dich anreitzen und verführen lassen. Du / du hast deine eigene Teutsche Helden-Sprache / welche an reiner Vollenkommenheit / Majestät und Pracht / Zierde und Liebligkeit Jhres gleichen unter der Sonnen nicht findet / (Wie solches etliche deiner Getreuen Fruchtbringenden und dannenhero ewigen Lobes würdigen Kinder und Helden nicht nur erkennet / sondern auch in Jhren herrlichen Schrifften und Büchern zu voller genüge erwiesen) gantz spöttlich gehalten / ja gegen die andere Fliksprachen / welche kaum tauglich sind Jhr das Wasser zu reichen / gantz liederlich verachtet und also dich selber zu einer schändlichen Schlavinnen dero außländischen Sprachen gemachet. Die alte Teutsche Sitten und Gebräuche / den alten ehrbaren Habit und Kleidung hast[189] du mit grossem Ekkel verworffen und anders nichtes als was fremd / neu und a la mode heisset / sehen / wissen und hören wollen / und / daß Jch es kurtz mache / du hast nur bloß und allein dahin getrachtet / daß du deinem üppigen Fleische gühtlich thun und solches in allen Lustbarkeiten der Welt / wie die Sau im Koht weltzen möchtest. Was wunder ist es denn nun / daß der gerechter GOtt in seinem Zorn diese fremde Völker samt dem bluhtdürstigen Mars und desselben beiden Schwestern dem Hunger und der Pest dir auff den Hals hat geschikket / dieweil deine gottlose Thaten keine andere Belohnung verdienet haben.

FRIEDE. Ja Teutschland / so gehet es / wenn man seines lieben und getreuen Gottes so gar vergisset und sein Hertz bloß und allein an das Zeitliche hänget. So gehet es / Teutschland / wenn man die Diener Gottes und Jhre getreue Warnungen gantz und gahr weder hören noch wissen will / sondern dieselbe um der Wahrheit willen schilt und schmähet / plaget und verjaget / wie du selber diesem getreuen Prediger Merkurio getahn hast. Ja / so gehet es / Teutschland / wenn man seinen Leib zum Schlaven der verfluchten Wollust machet und dadurch allen Segen und Wohlfart / alle Friede und Ruhe von sich hinweg treibet / derowegen / O Teutschland / Teutschland / erkenne deine Bößheit und suche durch wahre Reue und Buhsse bei der unendlichen Barmhertzigkeit Gottes gnädige Verzeihung deiner so vielfältigen Sünde.

TEUTSCHLAND etlicher mahssen zur Erkäntnisse kommend / fället gantz demühtig nieder auff Jhre Knie und fähet an mit kläglicher Stimme und sehr jämmerlichen Gebehrden folgender gestalt zu reden. Ach Jch armes / elendes und hochbetrübtes Weib / nunmehr erkenne Jch erstlich meine überaus grosse Unwürdigkeit. Ach / wie habe Jch so bößlich bißhero gelebet / so übel gehandelt / so schändlich gehauset / so vielfältig[190] gesündiget und den allergerechtesten GOtt durch solchen meinen unchristlichen Wandel zu billichem Zorn erreget. Ach / meiner Sünde ist viel mehr / als des Sandes am Meer / wie eine schwere Last sind sie mir zu schwehr worden / Jch eitere und stinke vor meiner Bößheit / Jch bin nicht wehrt / daß Jch ein Mensch / Jch geschweige denn ein Kind GOttes sol heissen / Ach GOtt / sei mir armen / elenden / hochbetrübten Sünderinnen gnädig und barmhertzig!

MERKURIUS. O Teutschland / daß waren etlicher mahssen demühtige und buhßfertige Wohrte einer leidtragenden Sünderinn / wolte GOtt / daß sie dir nur recht von Hertzen gehen müchten!

FRIEDE. Ja wahrlich / Teutschland / dieses Lied gehet aus einem viel anderen Thon / als der gewesen / welchen du bißhero gehalten. Denn wahre Reu über die begangene Missethaten / nebenst einem rechtschaffenem Vertrauen zu der Barmhertzigkeit GOttes und dem ernstlichen Vorsatze hinführo einen neuen / GOtt wolgefälligen Wandel zu führen / vermag allein den zornigen GOtt wieder zu erweichen / denn ein betrübtes und zerknirschtes Hertz wird GOTT nicht verachten.

TEUTSCHLAND. Ach / Jhr meine allerliebsten Freunde / helffet mir doch von Hertzen behten / denn Jch erkenne itz meine Missethat / Jch weis / wie gahr übel Jch gehandelt und wie billich Jch alle diese Straffen habe verdienet. Ach GOTT / du bist und bleibest gerecht / Jch aber muß mich schämen. Ach HERR / verleihe mir doch einmahl wieder[191] den wehrten Friede aus lauter Gnade und väterlicher Barmhertzigkeit.

MERKURIUS. So Teutschland / so must du es anfangen / wenn du Vergebung deiner Sünde und wiederbringung des edlen Friedens bei GOtt zu erhalten gedenkest. Aber liebste Schwester Friede / demnach sich es ansehen läst / als wenn Teutschland nunmehr auff einem guhten Wege sei und sich durch wahre Buhsse zu GOtt wolle kehren / thun wir nicht besser / daß wir sie selber in diesem Jhrem kläglichen Stande vor den Trohn des allerhöhesten GOttes führen / auff daß sie daselbst um Wiederschenkung deiner süssen Person demühtigligst anhalte?

FRIEDE. Ja Merkuri / wenn es dir gefällig / wollen wir sie vor das Angesichte deß allerheiligsten GOttes bringen / ob is sie etwan wiedrum Gnade daselbst erlangen müchte.

TEUTSCHLAND. Ach Ja / Jhr meine allerliebste und getreuste Freunde / Jch bitte Euch üm Gottes und seiner unermäßlichen Barmhertzigkeit willen / unterlasset ja nicht / mich bald / bald dahin zu führen / denn mir gahr zu sehr nach dir / O wehrter Friede verlanget.

MERKURIUS. Gantz gern Teutschland / wollen wir dir hierinne dienen; Aber meine vielgeliebte Schwester Friede / hieltest du es nicht vor rahtsahm / daß du ein weinig vor uns wärest hinauff gefahren und daselbst angezeiget hättest / daß Teutschland nebenst mir fürhanden wäre / damit sie desto kühnlicher vor das allerheiligste Angesichte Gottes dörffte treten?

FRIEDE. Dieses wil Jch hertzlich gern außrichten / Jch wil mich augenbliklich erheben und für den Trohn des Allerhöhesten[192] schwingen / gestalt denn / daß Jch solches thun solte / von dem HErren der Heerscharen / mir gantz ernstlich ist anbefohlen. Unterdessen du Teutschland / bereite dich nur alsobald deine allerunterthänigste Bitte vor der Majestät GOttes abzulegen / du wirst gewißlich ungetröstet nicht von hinnen scheiden. Friede gehet ab und fähret gen Himmel.

MERKURIUS. Nun Teutschland / nun ist es hohe Zeit / daß du dein innigliches Gebet mit Thränen außschüttest und in wahrer Demuht des Hertzen zu deinem GOTT dich wendest / ob du noch etwan Gnade wiedrum erlangen und endlich müchtest erhöret werden.

TEUTSCHLAND. Ach Ja Merkuri / Jch wil als eine arme bußfertige Sünderin zu der Barmhertzigkeit Gottes unauffhörlich schreien / stehe du mir in diesem hohen Werke als ein getreuer Prediger und Diener GOttes ernstlich bei und hilff mir von gantzer Seele behten. Merkurius und Teutschland verfügen sich mit einander nach dem Himmel.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 179-193.
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