Der dritte Auffzug.

[171] Teutschland. Meister Ratio Status der Feldscherer.


TEUTSCHLAND ein weinig von der Erde sich erhebend / fähet an mit kümmerlicher Stimme sich folgender gestalt zu beklagen. Es halten zwahr die blöde Menschen Kinder davor / daß nichtes grausahmers noch erschreklichers seyn könne als der Tod an Jhm selber und negst diesem die Furcht des Todes; Jch übelgeplagtes Weib aber glaube fästiglich / daß kein grösser Jammer werde gefunden / als wenn ein Mensch / der den Tod so viel tausend mahl wünschet oder begehret / desselben nicht kan noch mag theilhafft werden. O / wie süß und angenehm solte mir Elenden der Tod seyn! Nun aber / so lange Jch noch lebe / sterbe Jch nicht ein sondern Tausend mahl des Todes und zwahr dasselbe täglich. Jch hätte ja wol gehoffet / es solte mir der grausahmer Menschenfresser Mars mit diesen leisten Schuß den Beschluß meines traurigen Lebens haben gegeben / angesehen Jch schon hiebevor etliche hundert Wunden von Jhm empfangen; Aber / Er hat mir / meinem Wunsche nach / nicht das Hertz / sonderen nur die Schulteren getroffen / Jedoch kan es gahr leicht geschehen / dieweil Jch ohne daß gleichsahm mit dem Tode ringe / daß ein andere gefährliche Krankheit zu diesem Schaden schlage / die mich armes / zermartertes / verwundetes und beraubtes Teutschland vollends auffreibe und einmahl von allem Jammer und Elende erlöse / welches denn Jch Armselige von grund meiner Seelen wil gewünschet haben. Teutschland fält gleichsahm in einer schwehren Unmacht abermahl als tod zuer Erden.

MEISTER RATIO STATUS gehet auff wie ein Quacksalber oder Feldscherer / zimlich gravitetisch außstafieret. Er träget seine Wundartzlade unter dem Arm / hält in der Hand ein pahr Gläser /[172] Büchsen mit Salben / allerhand Jnstrumente und derogleichen: Er kan Jhm auch durch einen Diener etliche Sachen nachtragen lassen / fähet an gantz hochmühtig zu reden.

Sintemahl / dieweil und nachdem es des Durchläuchtigsten Kriegeshelden / des großmühtigsten Mars Excellentz gnädigst hat gefallen mich als einen sehr trefflichen Chyrurgus, Medicus, Ophtalmicum, Lytholomum, Hochfürstlichen privilegirten wolerfahrnen Leib- und Wundartzten gantz schleunigst heraus zu commendiren, daß Jch das von Jhme couragieuxer weise verwundetes und geschossenes Teutschland gebührlicher mahssen solle emplastriren; Als wil Jch solchem seinem Begehren zuer günstigen folge mich alsobald dazu præpariren und die verwundete Dame bester massen / das ist: Gründlich / künstlich und ohne einige Schmertzen curiren und heilen. Aber / Jch sehe ja is keine ansehnliche Weibesperson hieselbst / mahssen Jhre Excellentz / daß sie dergestalt beschaffen / mich selber haben berichtet. Er siehet sich ein weinig üm. Jch wil ja nicht hoffen / das es jenner Bettelsak sei / welcher dort im Kohte außgestrekket lieget; Es scheinet gleichwol / als wenn selbiges Weib an unterschiedenen Ohrten Jhres Leibes gantz hefftig sei verwundet. Er kehret oder nahet sich zu Jhr. Glük zu Mutter / wie gehts? Wie zuem Teuffel hast du dich so im Blühte herum geweltzet?

TEUTSCHLAND. Ach mein Freund / Jch bin ein armes / elendes und hochbetrübtes Weib / Mars hat mich dermahssen jämmerlich zugerichtet / daß Jch auch fast keinem Menschen mehr ähnlich bin.

MEISTER RATIO STATUS. Hat Mars das gethan? So bistu Teutschland höre Jch wol?

TEUTSCHLAND. Ach Ja! Gewesen! Ach leider![173]

MEISTER RATIO STATUS. Sei guhtes muhtes Teutschland / Jch bin zu dem Ende zu dir geschikket / daß Jch deine Wunden bester mahssen sol heilen / welches zu præstiren Jch viel geschikter bin / als der Theophrastus Paracelsus Bombastus von Hohenhaim mit allen seinen Jüngern und Nachfolgeren / es mügen gleich innerliche oder eusserliche Schaden seyn / man muß aber den dingen fein bei Zeiten vorzukommen wissen / dieweil es nach dem bekanten Vers heisset: Principibus obsta serò, medicina patrata Cum mala per longas confarafere foras.

TEUTSCHLAND. Ja Ja mein Freund / Jhr schwatzet mir so etwas daher von Euren Chyrurgischen Künsten / welchem allem Jch doch sehr weinig traue / aber saget mir / wie heisset doch Eür Name?

MEISTER RATIO STATUS. Jch heisse der Edler / Vester / Großachtbarer / Hochgelahrter auch hocherfahrner Meister / Doctor Ratio Status, Chyrurgus, Lythotomus, Hernieticus, Ophtalmicus, Empiricus, Theophrasticus, Galenicus, Magicus, hoch und viel approbirter Leib und Wund-Artz / imò plus si vellerem, Ja / so heisse Jch!

TEUTSCHLAND. Seid Jhr Ratio Status? Ach GOtt / was sol man doch von Euch guhtes hoffen? Aber sagt mir Herr Doktor / wer hat Euch zu mir geschikket.

MEISTER RATIO STATUS. Das hat der grosse Kavallier Mars gethan.

TEUTSCHLAND. Mars? Mein abgesagter Todfeind? Ach / war es nicht genug / daß Er vor seine Person nebenst seinen mordgierigen Schwesteren mich so gräulich plagte / muste Ratio Status auch noch erstlich dazu kommen?[174]

MEISTER RATIO STATUS. Wie redest du närrisches Weib? Hörest du nicht / daß Jch üm deines besten willen bin anhero geschikket / deine fast unzehliche Wunden mit meinem Emplastribus, Catapotijs, Clystirijs, Cataplasmatijs, Elinctoribis, masticatoribus, gargarismatijs, potionibus, pilulibus, Electuaribus und anderen derogleichen / Galenischen / Hermetischen und Magischen medicamentibus glüklich / als ein Kunstreicher Meister zu heilen.

TEUTSCHLAND. Ach! Wo findet sich doch ein solcher Meister / der Teutschlandes Gebrechen bei dieser Zeit aus dem grunde kan heilen!

MEISTER RATIO STATUS. Jch / Jch bin derselbe Mann / Jch Ratio Status kan die Kunst / Jch weiß Raht in der Noht / vor die morbum vor den Tod. Aber / halt still Teutschland / da muß Ich dir erstlich etliche heilsahme Pflaster auff die is eusserliche Wunden legen und dir hernach die innerliche Schaden mit etlichen köstlichen Träncken oder potionibus wieder zu rechte bringen.

TEUTSCHLAND. Ach / sagt mir Meister Ratio Status, was gebrauchet Jhr doch denn vor Pflaster / mit welchen Jhr meine bluhtige / ja nunmehr schier eiternde Wunde zu heilen vermeinet?

MEISTER RATIO STATUS. Da habe ich erstlich das starcke Emplastrum Ligæ, welches trefflich wol bindet und in solchen Schäden sehr bewähret ist.

TEUTSCHLAND. Ach mein lieber Meister / lasset mir nur dieses Pflaster von den Wunden / das Emplastrum Ligæ habe Jch nimmer können vertragen.[175]

MEISTER RATIO STATUS. Was dünket dich denn bei dem Emplastrum Unionis, welches nur gahr ein weinig zusammen hält / und demnach nicht so gahr stark ist / als das vorige.

TEUTSCHLAND. O schweiget doch auch von diesem mein lieber Meister / Jch habe es schon vor vielen Jahren gebrauchet und mich trefflich übel darnach befunden.

MEISTER RATIO STATUS. Ja Teutschland / wilt du denn keines von diesen beiden gebrauchen / so wil Jch dir das Emplastrum Neutralitatis zurichten / da wirst du dich ja nicht übel nach befühlen.

TEUTSCHLAND. Ja / daß es Gott erbarm! Solte Jch mich bei diesem Pflaster wol befinden? Die Neutralität ist mir bißweilen eine solche schädliche Salbe gewesen / daß sie mir auch manches schönes Glied an meinem ehemahls herrlichem Leibe auff das eusserste hat verderbet.

MEISTER RATIO STATUS. Was sol Jch denn mit dir anfangen Teutschland? Du bist über alle mahsse eigensinnig: Du begehrest deine eusserliche Wunden weder mit der Ligâ, noch der Union, noch auch der Neutralität zu salben / wie? wenn Jch dir denn et wann das Emplastrum Confœderationis cum exteris hätte auffgeleget?

TEUTSCHLAND. O weg / weg mit deme! Was dieses vor ein beissendes Pflaster sey / habe Jch mit meinem grössesten Schaden schon längst erfahren.

MEISTER RATIO STATUS. Du must dennoch etwas gebrauchen / dafern dir deine Gesundheit vollenkömlich sol restituiret werden. Dieweil Jch aber verstehe / daß du vor allem eusserlichen[176] Mittelen einen so gahr grossen Abscheu hast / so wil Jch dir lieber eine Potion oder Tränklein zurichten / welches dir verhoffentlich nicht übel wird bekommen.

TEUTSCHLAND. Ja / wenn Jch versichert wäre / daß es helffen wolte.

MEISTER RATIO STATUS. Wie solte es nicht helffen? Siehe da habe Jch ein Tränklein / das heisset Simulatio, solches darffst du nur fein kalt zu dir nehmen / was gilts es sol deine innerliche Schaden bald heilen.

TEUTSCHLAND. Ja wol! Simulatio wird bei mir nichts außrichten / denn dieser Trank in Teutschland sehr weinig Kräffte hat /Jch glaube aber wol / daß Er in Jtalien / Frankreich und anderen Länderen viele grosse Dinge verrichte.

MEISTER RATIO STATUS. Dieses alles leugne Jch zwahr nicht: Meine Landesleute die Jtaliäner befinden sich trauen sehr wol bei der Simulation, deinem harten teutschen Magen aber mag es wol etwas zu schwach seyn. Wie dünket dich aber / wenn du etwann die Dissimulation dazu nehmest?

TEUTSCHLAND. Ach / was plagst du mich doch viel mit deinen Tränken? Eines nützet eben so viel als das ander. Alle diese Artzneien können Teutschland weiniger als nichtes helffen: Darum bitte Jch / mein Ratio Status, bemühe dich meinenthalber nur gahr nicht / Jch begehre von allen deinen Artzneien keine einzige zugebrauchen.

MEISTER RATIO STATUS. Wie? Du bist mir auch wol ein rechter Närrischer Kopf / kan Jch dir denn gahr nichtes zu danke machen? Sol Jch denn also ohne einige Verrichtung[177] wieder davon gehen? Wie werde Jch daß vor meinem Principalen / dem großmächtigsten Mars können verantworten? Jch bitte dich / Teutschland / gebrauche doch nur ein einziges meiner medicamenten, damit Jch gleichwol könne beweisen / das Jch dir meinen guhten Raht gern und willig habe mitgetheilet.

TEUTSCHLAND. Ach du höhester GOtt / wie plagest du mich doch? Bin Jch denn vorhin nicht elend genug? Was sol es denn endlich seyn?

MEISTER RATIO STATUS. Höre Teutschland / demnach du weder Pflaster noch Tränke zu deinen so wol ausser- als innerlichen Schaden wilt gebrauchen / so verschlukke doch nur etliche weinig Pillulen / welche von sonderbahrer grosser Würkung werden gehalten.

TEUTSCHLAND. Was sind es endlich vor Pillulen und wie heissen sie denn?

MEISTER RATIO STATUS. Es sind Pillulæ Hypocriticæ, welche beides von Geistlichen und Weltlichen hoch werden gerühmet / Jch wil sie dir in einem gebrahtenen Apfel hinunter zu essen darreichen.

TEUTSCHLAND. Wie / saget Jhr Meister / heissen diese Pillulen.

MEISTER RATIO STATUS. Sie heissen eigentlich Pillulæ Hypocriticæ.

TEUTSCHLAND. Pillulæ Hypocriticæ? Jch meynete wahrlich anfangs daß Jhr Pillulæ Hypochondriacæ gesaget hättet / die machten vielleicht zu Vertreibung meiner überaus grossen Melankolei und Hertzens Traurigkeit etwas[178] nützen: Aber / wie Jch verstehe / so sind es Pillulæ Hypocriticæ. Aber / saget mir Meister Ratio Status, heissen dieselbe nicht in meiner / das ist / der rechten Teutschen Sprache Heuchelpillen?

MEISTER RATIO STATUS. Ja Teutschland / eben dieselbe sind es / und ist der Heuchelpillen Würkung so trefflich / daß sie mit keinem Golde zu bezahlen. Siehe da / Jch habe sie dir schon in einen Apfel verstekket / denselben iß nur geschwinde und laß dir diese köstliche Artznei wol bekommen.

TEUTSCHLAND. Auff Eür Wohrt Herr Doktor / wil Jch den Apfel gemessen / es mag mir so viel nützen als es wil und kan / angesehen Jch ohne das kaum mehr lebe / Jch muß dennoch erfahren / wie Teutschland die Heuchelpillen wollen bekommen.

MEISTER RATIO STATUS. Ohne allen zweiffel sehr wol. Was is gilts ob sie nicht bald trefflich sollen würken? Aber / Jch wil unterdessen meinen Abscheid nehmen / und meine andere Patienten, deren sehr viel an der Lustseuche / Frantz seinen Hosen / am Magenzipperlein / Zahnschnuppen / Goldsucht / Diebesfieber / Huhrenpest und anderen mehr gefährlichen Krankheiten danieder liegen / besuchen. Jmmittelst / Teutschland / gehabe dich wol. Die Bezahlung vor die gereichete Artzneien / wil Jch von meinem Principal und grossem Patron dem Mars zufoderen wissen.

TEUTSCHLAND. Wol / wol Meister / gehet nur immer hin / Jch habe Eüch ohne das keinen einzigen Heller zu geben. Meister Ratio Status gehet ab und Teutschland verzehrt den Apfel gahr geschwind.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 171-179.
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