|
[311] Welches auch kan gesungen werden nach der Melodie unseres schönen, sonst wolbekanten Kirchen-Psalmes: An Wasserflüssen Babilon, u.s.w.
1.
Wer ist es, der die Segel lenkt
Und der das Schiff regieret,
Der Jennes Heer ins Meer versenkt,
Der Moses hat geführet?
Ich bins, der Allerhöchste Gott,
Der gross' und starke Zebaoht,
Der auch an allen Enden
So wunderbahrlich helffen kan,
Daß in der Noht sich Jedermann
Getrost zu Mir darf wenden.
[311]
2.
Ich spräche nur den Wellen zu,
Wenn sie so grausahm wühten,
Daß sie sich legen schnel zur Ruh;
Ich kan der Fluht gebiehten.
Drum fürchte dich kein Hährlein mehr,
Betrübte Seel', ob noch so sehr
Itz Wind und Wasser rasen;
Bedenk' es nur in deinem Sinn',
Ob Ich der grosse Gott nicht bin.
Für dem kein Wind darf blasen?
3.
Und wenn du gleich durchs Wasser gehst,
Bleib' Ich dir doch zur Seiten
Und schaffe, daß du sicher stehst,
Ja daß auch nicht von weiten
Ein schwehrer Unfall treffe dich.
Drum baue nur getrost auf Mich,
Ich hersch' auch in den Tieffen,
Ja Himmel, Erd' und Meer ist Mein;
Wie schnel pflag Ich dabei zu sein,
Wenn die Verzagte rieffen.
4.
Ich bin der Herr auf wilder Fluht,
Welch' Ich dazu bereitet,
Daß man drauf führet Leut und Guht,
Durch Meine Hand begleitet.
Das Meer ist Schiff' und Menschen voll,
Worauf man Waaren führen sol,
Das grosse Nahrung bringet.
Lass' Ich den Winden nun ihr Spiel,
So siehet man der Wunder viel,
Wie hoch das Wasser springet.
5.
Jedoch regir' Ich alle Meer',
Ich hersch' in tieffen Wellen;
Und gehn sie noch so stoltz daher,
Guht, Leut' und Schiff zufellen,
So still' Ich schnell ihr brausen doch,
Dieweil Ich bin viel grösser noch
Als Sie; drum kan Ichs wehren,
Daß Sie nicht werden gahr zu krauß
Und reissen so gewaltig auß,
Als Sie für sich begehren.
6.
Dem Wasser hab' Ich Mahss' und Ziel
Von Alters her gesetzet,
Daß es nicht wühte gahr zu viel
Und werd' auch nicht verletzet
Der Mensch', im fall' er seinen Fuß
In solch ein Häußlein stellen muß,
Daß auf den Wellen schwebet.
So weit erstrekt sich Meine Macht,
Das sicher wird ans Land gebracht,
Was in den Schiffen lebet!
7.
Solt' Ich denn auch nicht können dir
Itz Hülff' und Trost erweisen,
Der Ich doch Allen helffe schier,
Die so zu Wasser reisen?
Zwahr hast du deinen Leib vertraut
Nur einem Höltzlein, daß man schaut
Im Meer erbärmlich wanken:
Jedoch getrost! Ich schaff' es frei,
Daß Schiff und Guht erhalten sei;
Du wirst mirs hertzlich danken.
8.
Gedenk' an Meine Jünger nur,
Wie heftig das sie schreien,
Als Ich mit ihnen überfuhr.
Sie lagen auf den Knien
Und rieffen: Meister, hilf' uns bald!
Und als Ich nun zwang mit Gewalt
Die hocherhabne Wellen,
Da sprang ihr Hertz, Sie dankten Mir.
Ein gleiches wil Ich thun an dir,
Kein Wetter sol dich fellen.
9.
Ich wil dem Wind', Ich wil der Fluht
Mit einem Wohrt gebieten;
Gib Achtung, was Mein' Allmacht thut,
Wie plötzlich Sie das wühten
Der starken See bezwingen kan.
Drum heiss' Ich auch der Wunderman,
Der Alles kan erretten,
Wenn gegen Mich schon Wasser, Feur,
Wind, Sturm und alles Ungeheur
Sich fest verbunden hetten.
[312]
10.
Solt' endlich ja daß Schiff so gahr
Auf stükk' und trummern gehen,
So wil Ich mitten in Gefahr
Doch kräftig bei dir stehen:
Ich wil dich retten aus dem Meer,
Als Ich den Jonas widrum her
Ans Land gebracht mit Freuden.
Es geh' auch, als es immer woll':
Erinnre dich, das nichts dich sol
Von Meiner Libe scheiden.
Buchempfehlung
Die Prosakomödie um das Doppelspiel des Dieners Truffaldino, der »dumm und schlau zugleich« ist, ist Goldonis erfolgreichstes Bühnenwerk und darf als Höhepunkt der Commedia dell’arte gelten.
44 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro